Cuxhaven in der Literatur
In der folgenden Auswahl wurden aus den Quellen lediglich die Cuxhaven betreffenden Passagen ausge-
wählt.
Inhaltsverzeichnis
Seite 1
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Heute geht´s nach Ritzebüttel - Ein Berliner Gassenhauer
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Wolgast, Georg - Sahlenburger Heidelied
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Assing, Rosa Maria - Des Seemanns Braut
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Barthel, Max - Deutschland - Lichtbilder und Schattenrisse einer Reise
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Beurmann, Eduard - Hamburgische Skizzen
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Blos, Wilhelm Josef - Denkwürdigkeiten eines Sozialdemokraten
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Boy-Ed, Ida - Vor der Ehe
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Fallersleben, Hoffmann - Mein Leben
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Fock, Gorch - Seefahrt ist not
Seite 2
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Fock, Gorch - Seefahrt ist not
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Fock, Gorch - Nach dem Sturm
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Frapan, Ilse - Zwischen Elbe und Alster
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Heine, Heinrich - Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski
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Jaedicke, Ernst - Vineta
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Knuedsen, J. M. - Die Seemarken an den Küsten der Königlich Dänischen Monarchie
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Liszt, Franz - Brief an Kreutzer
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Mühlenhoff, Karl - Der Teufel in der Elbe
Seite 3
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Nettelbeck, Joachim - Eine Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgezeichnet
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Rabener, Gottfried Wilhelm - Satiren
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Rast, Freiherr Ferdinand von - Das Leben des Freiherrn Ferdinand von Rast
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Sachse, Joachim Christoph - Der deutsche Gil Blas
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Schröder, Bernhard - Erinnerungen 1927 - 1945
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Seitel, Willy - Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
Seite 4
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Trinius, August - Wenn die Sonne sinkt
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Turgenev, Ivan Sergejevich - Faust - Erzählung in neun Briefen
Seite 5
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Willkomm, Ernst - Reeder und Matrose
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Heute geht´s nach Ritzebüttel
Heute geht´s nach Ritzebüttel - Ein Berliner Gassenhauer
Quelle Richter, Lukas: Der Berliner Gassenhauer. Darstellung – Dokumente – Sammlung.
Hrsg. vom Deutschen Volksliedarchiv. Münster/New York/München/Berlin 2004. (Volksliedstudien, Band 4).
ISBN 3-8309-1350-8
Genehmigung
Waxmann Verlag GmbH
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`Das Sahlenburger Heidelied´
1. Strophe
Ich reit´ auf grünen Wegen am Heiderand dahin,
dem jungen Tag entgegen mit frohem heit´ren Sinn.
Durch Heidekraut und Ried der Sommer Fäden zieht
im leisen Herbsteswehen und rings die Heide blüht.
2. Strophe
Hier, fern vom wirren Leben da draußen in der Welt,
von Blütenduft umgeben, es mir gar sehr gefällt.
Die Sommersonne glüht, wie Diamanten sprüht
der Tau auf allen Wegen und rings die Heide blüht.
3. Strophe
Des Menschen Hassen, Neiden, das soviel Glück zerbricht,
kennt hier auf brauner Heide den stillen Frieden nicht.
Vorüber weit hier zieht Frau Sorge, weil sie sieht,
da lauter Glück hier wohnet und rings die Heide blüht.
4. Strophe
Im Heidekrug zur Linde da kehr ich durstig ein,
in frischen Morgenwinde sitz ich hier ganz allein.
Der Lerche Jubellied erquickt mir das Gemüt,
ich denk´ vergang´ner Zeiten und rings die Heide blüht.
5. Strophe
Und wenn ich wieder scheide von hier und weiterzieh,
werd´ ich auch fern der Heide es doch vergessen nie:
wie dort durch Kraut und Ried der Sommer Fäden zieh
im leisen Herbsteswehen, wenn rings die Heide blüht.
Worte von Georg Wolgast, Melodie von Georg Schwarz
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Rosa Maria Assing: Des Seemanns Braut
1.
Horch, Meta, horch, Kanonen dröhnen,
Im Hafen laufen Schiffe ein.
Schon wieder! O wie schlägt mein Herze,
O möcht' es doch der Liebste seyn!
O wäre nahe schon die Stunde,
Die ihn zurück zum Hafen bringt,
Da der Kanonen lautes Grüßen
Mit Jubelton vom Schiff erklingt!
Er schweift noch fern auf wildem Meere,
Von tobender Gefahr umschwebt,
Darob mein Herz, ihm treu ergeben,
In bangem Schauer tief erbebt.
Verborgne Klippen, lde Küsten,
Korsarenwuth, des Hungers Noth,
Der Wilden Horden, ach, sie gaben
Vielleicht schon grausam ihm den Tod!
Vielleicht auf ferner Insel Strande
Wirft tosend ihn die Welle an,
Und ohne Klage, ohne Thräne
Begräbt man dort den fremden Mann.
O trübe Bilder, schmerzlich Ahnen
Erfüllt mein Herz mit Angst und Graus! —
Komm, Meta, komm hinaus ins Freie,
Es wird zu enge mir im Haus!
2.
Oben hoch von Hamburgs Walle
Schaut man auf die Elbe hin,
Herrlich glänzt der Strom und woget,
Und ergötzet Herz und Sinn.
In die blaue Ferne schweifet
Spähend, sehnsuchtsvoll der Blick,
Ahnt die See mit ihren Schätzen,
Ahnt in blauer Ferne Glück.
Oben hoch von Hamburgs Walle
Zeiget sich dem Blick ein Wald,
Nicht ein Wald von grünen Bäumen,
Nein, von Masten mannigfalt.
Bunte Flaggen, leichte Wimpel
Sind der Bäume Blüthenkranz;
Lustig flattert hin die Möve
In des Abendlichtes Glanz.
Oben hoch von Hamburgs Walle
Seht der stolzen Schiffe Reih'n,
Liefen hier aus fernen Zonen
Reichbeladen glücklich ein,
Haben auch wohl Sturm bestanden,
Ruhen nun in sichrer Hut.
Bringen wird auch eines wieder
Mir zurück ein theures Gut!
Stille ruht auf Strom und Ufer,
Friedlich naht der Abend sich,
Stille wird's auch in der Seele,
Hoffnungsvoll und feierlich.
Kehrt' so manches Schiff doch wieder,
Das zur Ferne zog hinaus. —
Abendstille, Herzensstille! —
Meta, komm, wir gehn nach Haus.
3.
Da unten bei Cuxhaven
Da woget das offne Meer,
Vorbei dort ziehen viel Schiffe
Von weiter Ferne daher.
Dem Dreimaster schwellet die Segel
Der Wind zu rüstigem Lauf,
Schon segelt er stolz uns vorüber
Die Elbe nach Hamburg hinauf.
Das ist die Hoffnung, sie kehret
Mit reicher Ladung zurück,
Der Stürme gar viel und Gefahren
Bestand sie mit Muth und mit Glück.
Wie fröhlich ist's auf dem Verdecke,
Es dringt sich Gestalt an Gestalt;
Sie jubeln und schwenken die Hüte,
Und fröhliches Hurrah! erschallt.
Kanonen, die dröhnen dazwischen,
Zu grüßen den heimischen Strand;
Das nenn' ich mir noch ein Grüßen,
Das weithin erschallet ins Land!
Mir will es die Brust fast zersprengen,
O fasse dich, zittemdes Herz!
O Meta, hilf tragen die Freude,
Wie du mir halfst tragen den Schmerz!
Aus der Sammlung Poetischer Nachlass
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Max Barthel: Deutschland - Lichtbilder und Schattenrisse einer Reise
Noch einmal berührte Sommerschuh die Stadt Hamburg, um am nächsten Tag an die Nordsee zu fahren.
Dort oben lief er mit dem Schlosser durch das Wattenmeer, stand an der »Alten Liebe«, dem Bollwerk der
Stadt Cuxhaven, und entdeckte, dass auch Deutschland seine »Alte Liebe« war.
Die Stadt Cuxhaven ist Hamburger Staatsgebiet und durchaus kein Seebad, wie die Prospekte größen-
wahnsinnig verkünden. Cuxhaven hat keinen Badestrand, und nach Duhnen sind es immerhin noch zwölf
Kilometer. Cuxhaven ist auch als Badeort nicht so wichtig. Wichtig ist diese Stadt für den Fischfang. An ihr
legen auch die großen Amerikadampfer an. Cuxhaven ist Lotsenstadt und hat eine berühmte Wetterwarte.
Diese Stadt steht als letzter Gruß für die Auswanderer da, und als erstes Willkommen für die Heimkehrer.
Genau so unwichtig wie das Seebad scheint die Festung Cuxhaven zu sein, die ihre Küstenbatterien dro-
hend nach der Elbmündung und dem offenen Wasser richtet. Der neue Krieg ist ein chemischer Krieg. Der
Regen und Nebel, der dann aus der Luft fällt, ist tödliches Gas.
In den Hafenstädten sind nur der Hafen und die Seefahrt wichtig. Alles andre ist Kulisse. Die Kulisse der
Stadt Cuxhaven ist kleinbürgerlich. Das Schloss Ritzebüttel liegt in einem schönen Park. In der Nähe des
Bahnhofs stehen viele neue Häuser in jenem sachlichen Backsteinstil, den man auch in Hamburg findet, und
der im Chilehaus Musik wird. Natürlich gibt es auch viele Cafés und Hotels. Der Blick über die Unterelbe
schweift endlos über das Wasser. Mit einem scharfen Glas erkennt man den flachen Hügelstreifen von
Brunsbüttel, wo der Nordostseekanal beginnt. Im Fischereihafen liegt die Hochseeflottille. Die Fahrten ge-
hen bis nach Island hinaus. Zwei große Gesellschaften streiten sich in Cuxhaven um die Ernte des Meeres.
Um die Fischerei hat sich eine ganze Industrie gruppiert. Da gibt es eine mächtige Eisfabrik, in der die
großen schweren Kunsteisplatten zu faustgroßen Stücken zersägt und zermahlen werden. Die ausfahren-
den Schiffe werden damit ausgerüstet und die Sonderzüge, um die Fänge frisch zu halten. Bis in die Türkei
rollen die Wagen. In Konstantinopel und in Kairo kann man eisgekühlten Nordseefisch kaufen. Neben der
Eisfabrik stehen die Korbflechtereien, die Netzfabriken und die Räuchereien. Geräucherter Schellfisch ver-
wandelt sich in Seelachs. Geräucherter Hering wird Bückling. In anderen Betrieben werden die Fische
gebraten oder mariniert. Viele hundert Frauen stehen an den Öfen, Maschinen und in den Fabriken. Aber
die Fische schwimmen nicht im Schlossteich von Ritzebüttel. Sie müssen weit draußen in der See gefangen
werden. Der Fischfang beginnt und geht nach ganz bestimmten Plätzen nach Schottland hinaus, nach
Island oder an die norwegische Küste. Wo die Meeresströmungen zusammentreffen, wo auf dem Grund des
Meeres wuchernde Gärten entstehen, in denen kleine Fische leben, um von großen Fischen gefressen zu
werden: dorthin fährt der Mensch, der Vielfraß und Oberfresser.
Nicht immer fahren die Schiffe hinaus. Im Sommer liegen die grauen Kasten viele Monate still. Die Fischerei-
häfen sind dann wie große Friedhöfe. In Deutschland werden im Sommer sehr wenig Seefische gegessen.
Aber wenn die Zeit kommt und die Heringe in gleißenden Millionenzügen wandern, dann schaukeln die
Dampfer in die Nordsee und die Ostsee. Dann beginnt die Arbeit der Matrosen. Drei bis vier Wochen bleiben
die tapferen Schiffe auf hoher See. Drei bis vier Wochen werden Tag und Nacht die großen Schleppnetze
ausgeworfen. Drei bis vier Wochen werden auf dem Meer die vielen gefangenen Fische geschlachtet, einge-
eist oder eingesalzen. Im Winter sind die schwarzen Schiffe wie weiße schwimmende Eisberge. Die Arbeit
auf dem Meer ist nicht romantisch. Sie ist grausame Qual. Über die heulende See tanzen die Kutter und
Segler. Sturm stößt von Island oder Spitzbergen. Haushoch türmen sich die schwarzgrünen Wogen. Der
Mensch auf dem Meer kämpft seinen heroischen Kampf mit den Elementen und ist nicht immer der Sieger.
Sieger trotz Sturm und Unwetter sind die Leute am flachen Land, denen die Schiffe gehören. Der Kapitän
eines Fischkutters, auf dem ein Dutzend Matrosen fahren, ist mit zwei Prozent am Gewinn beteiligt. Die
Mannschaft bekommt ein halbes Prozent.
Das ist Cuxhaven. In den Cafés ist Musik. Siebzehn Fischkutter sind auf hoher See. In den Hotels sitzen die
Frühlingsgäste. Der Arbeiter Neuhaus verunglückte im Hafen tödlich. Eine Lore Kies stürzte vom Kran herab
und zerschlug sein Rückgrat. Der Fischdampfermatrose Martin ist beschuldigt, vorsätzlich und gesetzeswid-
rig eine Fensterscheibe zerstört zu haben und muss zwanzig Mark Strafe zahlen oder zwei Tage ins Gefäng-
nis. Die Arbeiterin Stine wurde im Logis eines Fischdampfers festgenommen und gab zu, der gewerbsmäßi-
gen Unzucht nachgegangen zu sein. Sie wurde zu einer Woche Gefängnis verurteilt. Der Postinspektor Hin-
richsen feiert sein fünfundzwanzigjähriges Dienstjubiläum. Für die in der Fischerei beschäftigten Frauen soll
ein Heim errichtet werden . . . Flüchtiges Spiel des Lebens in einer kleinen Stadt am Meer!
In einer Hamburger Zeitung stand die Geschichte vom Leichtmatrosen Klemens Förster, die sich Sommer-
schuh notierte, weil sie zeigt, dass auch ein Schiff auf hoher See nicht viel anders ist als eine Fabrik, in der
gearbeitet und geopfert wird. Der Leichtmatrose Klemens Förster, achtzehn Jahre alt, wurde auf der Reise
von Port Arthur in Texas nach Dünkirchen in Frankreich über Bord gespült und ertrank im Meer. Das Schiff
hatte auf dieser Reise mit schwerem Wetter zu kämpfen. Über das Vordeck waren Stecktaue gezogen. Eine
schwere See riss Klemens Förster in die Tiefe. Der Maschinenjunge Kliesmisch sah ihn im Wasser treiben
und rief sofort: "Mann über Bord!" Der auf der Brücke stehende wachthabende Offizier eilte nach hinten, um
einen Rettungsring dem Treibenden zuzuwerfen. Das war am Nachmittag um fünf Uhr. Aber es waren keine
Rettungsringe mehr da. Am Vormittag wurden sie durch überkommende See weggeschlagen. Auch die vier
Rettungsringe an der Brücke hatte sich die See geholt. Es war kein Ring mehr da. Einer wurde später an
Deck gefunden, aber der Verunglückte war inzwischen aus Sicht gekommen. Ein Boot auszusetzen, war bei
dem schweren herrschenden Sturm unmöglich. Die Unfallstelle wurde vom Schiff eine Stunde ohne Erfolg
abgesucht. Klemens Förster war in Amerika nicht aufenthaltsberechtigt, deshalb ausgewiesen und mit ande-
ren Leuten dem Dampfer »Masconoma« zum Rücktransport übergeben und als Leichtmatrose angemustert
worden. Die Schiffsleitung und die Mannschaft schilderten ihn als fleißigen, ruhigen und ordentlichen Men-
schen. Er wollte die nächste Reise des Dampfers wieder mitmachen. Der Kapitän hätte ihn gerne genom-
men. Ein Selbstmord des Klemens Förster ist nach Aussagen aller Zeugen vor dem Hamburger Seeamt voll-
kommen ausgeschlossen.
Der Reichskommissar führte aus, dass er der Schiffsleitung keinen Vorwurf machen wolle, aber es sei bei
der Unterbringung der Rettungsringe in Zukunft so zu verfahren, dass diese Ringe bei einem Wetter nicht
über Bord gespült werden können. Auch müssten Reserveringe an Bord sein. Diese müssten so unterge-
bracht werden, dass sie von der See nicht erfasst werden könnten.
Das Seeamt verkündete darauf folgenden Spruch: "Der am 10. Januar 1908 in Lehe geborene Leichtmatro-
se Klemens Förster ist auf der Fahrt des Dampfers "Masconoma" von Port Arthur (Texas) nach Dünkirchen
am 15. März 1926, nachmittags 5,10 Uhr, auf 41 Grad 14 Minuten N., 45 Grad 26 Minuten W. über Bord
gespült und ertrunken. Der Schiffsleitung ist wegen dieses Unglücks kein Vorwurf zu machen. Nach der
Entdeckung des Unfalls sind die nach Sachlage geeigneten Rettungsversuche gemacht, die aber leider
ohne Erfolg geblieben sind."
Sommerschuh war kein Seemann, aber er fand nicht nur aus diesem Grunde diesen Spruch unverständlich.
ER erinnerte sich vieler Unglücksfälle in den Fabriken. Auch da hatte die offizielle Untersuchung ergeben,
dass die Werksleitung schuldlos sei. Sie alle haben keine Schuld, wenn die Arbeiter in den Bergwerken, in
den chemischen Fabriken, an den Maschinen oder auf den Schiffen krepieren.
Mit seinem Freund wanderte Sommerschuh an das Meer hinaus. Er sah am Deich die schwarzen Bänke der
blauen und die Kalkstreifen der weißen Muscheln, er sah Ebbe und Flut, den Tanz und schaumgekrönten
Schlag der grünen Wellen, die Fahrt und Ausfahrt in die Welt. Wenn die Flut zurückgeht, legt sie vor Cuxha-
ven das Wattenmeer frei. Man sieht viele Kilometer Schlammgrund nach dem Wasser zu, ein wundervolles
Schauspiel von silberweißen, blauen und rosa Pastellfarben. Auch silbergrün und stahlblau schimmert der
Schlick und Schlamm. Am Strand drohen die Langrohrgeschütze. Der Leuchtturm der Insel Neuwerk ist
sichtbar und auch die breite Fahrstraße nach der Insel durch den glänzenden Schlamm. Am Himmel wehen
unendliche weite Rauchfahnen von den Frachtschiffen und Passagierdampfern, die nach England, Spanien
oder Amerika fahren.
Ein Blick auf die Seekarte zeigt die Tiefen und Untiefen der Elbe und die sich windende Fahrrinne für die
großen Schiffe. Man sieht auf dieser Karte die Löcher, Gründe, Sandbänke, Watten und Platten. Sie heißen:
Marner Sand, Klotzenloch, Norder Gründe, die falsche Tiefe, der Steilsand, die Hugger Platte, der Große
und der Kleine Vogelsand. Viele Kilometer vor der Küste und den Sandbänke liegen die Feuerschiffe. In den
Schiffsberichten spielen die Gründe und Sandbänke eine große Rolle. Viele Schiffe sind schon trotz ihrer
Lotsen aufgelaufen. Das Meer schleppt Schlamm herbei, die Elbe wälzt den Sand aus der Sächsischen
Schweiz, und Strom und Meer bauen die Gründe, Watten, Sandbänke und Platten.
Viele Stunden lagen die Freunde am Strand, sahen die Flut steigen und fallen, die Schiffe fahren und die
Möwen vorbeiflitzen. Sie sahen das trockene Meer der Watten und wanderten weit hinaus nach den kleinen
Rinnen, Rillen und Strombetten, in denen das Wasser nach dem Meer zurückfließt. Sie panschten durch
Schlick und Schlamm und fanden weiße Muscheln und zappelnde Krabben. In einer schönen, klaren Früh-
lingsrunde, als der Schlosser aus Hameln in den Watten herumbummelte, kam plötzlich wie Schnee und
schneller Regen Nebel über das Land. Er füllte dunkel den Strand und das Wattenmeer aus. Eine unheim-
liche Wand wuchs hoch, in der jeder Schrei erstarb. Eine ganze Stunde irrte der Schlosser herzklopfend
durch den Nebel. Endlich fand er doch das Ufer. Der Instinkt des Tieres in großer Gefahr hatte ihm den rich-
tigen Weg gezeigt.
Die Flut rollte an, grün und weiß und stahlblau. Die Muschelbänke lagen unter dem Wasser. Über die Kai-
mauern zischten die Wellen. Der Nebel wehte immer noch in schweren Schwaden. Er löschte das letzte
Licht aus, verjagte die Spaziergänger in die Cafés und Hotels, nahm dem Frühling Glanz und Farbe und
zeigte das andere Gesicht der See: das finster verzerrte und heimtückische. Viele Segelschiffe jagten
gespenstisch durch den Nebel. Das dunkle Tuten der großen Schiffe röhrte über der Flut. Die Blinkfeuer der
Leuchttürme zuckten auf und wanderten.
Auch am andern Tag wehte noch der kühle Nebel. An diesem Morgen war die Stadt Cuxhaven grau und
nüchtern. Sie hatte ihre Arbeitskleider an. Auf den kleinen Werften prasselten die Presslufthämmer. In den
großen Fischhallen lärmte die Auktion. Wie in Altona und Sankt Pauli lagen die Fische in den flachen
Kasten: Schellfisch, Schollen, Hechte, Rotbarsche, große flache Rochen und blauschwarze Aalquappen.
Wie in Hamburg standen über den toten Fischen die lebendigen Menschen und kauften und verkauften. Das
Meer war nicht mehr das Meer. Der Fisch war nicht mehr das freie, in sagenhaften Schwärmen wandernde
Tier, der Fisch und sein vielgestaltiges Geschlecht war nur noch eine Ware. Hinter der Ware standen die
beiden Hochseefischereien, die sich gegenseitig bekämpften. Sommerschuh bedachte das alles, als er
durch die Fischhallen wanderte. Nicht die toten Fische machten ihn kummervoll, kummervoll machte ihn vor
allen Dingen die bittere Erkenntnis, das es beinahe nichts auf der Welt gibt, sei es nun Erde, Erz, Kristall,
Tier, Pflanze oder Mensch, das nicht durch den Menschen entwertet wird und für dieses glatte Obertier ein
gutes Geschäft werden kann, eine Spekulation, ein Börsentipp, ein hundertprozentiger Gewinn.
Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926
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Eduard Beurmann: Skzzen aus den Hansestädten - Hamburgische Skizzen
An der Mündung der Elbe besitzt Hamburg das Amt Ritzebüttel, mit dem Nordseebade Kuxhafen. Es ist
nicht unbedeutend und umfaßt vier Gemeinden, deren jede ihren Prediger hat. Der Amtmann ist ein hambur-
gischer Senator, der — der Wichtigkeit seines Postens halber — das Gebiet des Amtes nicht ohne Erlaubniß
des hamburgischen Senats verlassen darf. Er hat ausgedehnte obrigkeitliche Gewalt, selbst in Betreff der
freiwilligen Gerichtsbarkeit. Wenn er — wie in Plats „Ansichten von Hamburg“ behauptet wird — sogar Ehe-
scheidungen ohne Appellation an das Obergericht in Hamburg verfügen darf, so ist das in der Tat ein gefähr-
liches Recht. Man sollte diesen Actus der Staatsgewalt nie in eines Mannes Hände legen, er mag noch so
unbescholten und tüchtig sein. Die ganze Staatsmaschine beruht mehr, oder minder — obwohl mit so vielem
Unrecht — auf der Ehe und deren ununterbrochenen Fortdauer bis zur natürlichen Trennung. Wo man Aus-
nahmen statuiert, da soll man alle Vorsicht dabei anwenden. Mag immerhin ein Richter genügen, um eine
Ehescheidung festzustellen, sobald diese durch gegenseitigen Consens veranlasst wird; aber wo deshalb
ein Streit statt findet, da sollte wenigstens dem unterliegenden Teile der Weg zur Apellation erschlossen
sein.
Das Amt Ritzebüttel kostet dem hamburgischen Staat mehr, als es einbringt. Aber es ist notwendig, dass ein
Handelsstaat, wie Hamburg, der der unbeschränkten Schifffahrt bedarf, und der doch nicht hart am Meere
liegt, durch keinen Zwischenstaat von der Kommunikation mit diesem ausgeschlossen wird. Ein Hafen an
der Mündung der Elbe, unter fremder Landeshoheit, könnte Hamburg manchen Plakkereien aussetzen. So
aber — wie das Territorium jetzt geordnet ist — hat Hamburg einen freien Verkehr bis zur See, der ihm
durchaus Not tut. Welche Nachteile würden nicht entstehen, wenn die Quarantaine-Anstalt in den Händen
einer fremden Macht wäre. Würden nicht die Schiffe häufig von dieser über die Zeit, vielleicht ohne irgend
einen Grund, aufgehalten werden? Hamburg würde hier stets abhängig sein von der Laune einer fremden
Regierung, die nicht die Interessen des Handels leiteten. Fälle der Art sind häufig zwischen Bremen und
Oldenburg vorgekommen, welches, bis zum Ankauf von Bremerhafen, die Landeshoheit und die Quarantai-
ne-Beaufsichtigung an der untern Weser hatte. Natürlich hat Hamburg durch jene Besitzung und die damit
verbundene Quarantaine eine Fürsorge für den ganzen Kontinent übernommen, die den Posten eines Ritze-
bütteler Amtmanns, welcher der Quarantaine-Kommission präsidiert, zu einer großen Wichtigkeit erhebt. Es
sind in dieser Hinsicht treffliche Vorkehrungen getroffen, die, ohne den Handel zu beeinträchtigen und
unnütze Zögerungen hervorzurufen, eine gänzliche Sicherstellung bewirken. Jedes Schiff, welches aus Ost-
und Westindien, den nordamerikanischen Staaten, den Ländern jenseits der Azoren und dem mittelländi-
schen Meere, mit Einschluss von Kadir kommt, muss sogleich die Quarantaine-Flagge aufziehen und vor
Anker gehen. Alsdann werden seine Papiere untersucht und nach Befinden der Umstände gestattet man die
sofortige Weiterfahrt, oder verfügt die Abhaltung der Quarantaine.
Skizzen aus den Hansestädten, 1836
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Wilhelm Josef Blos: Denkwürdigkeiten eines Sozialdemokraten
Ich hatte zwar als Student oft das Handwerksburschenlied gesungen:
»Von Hamburg geht's nach Ritzebüttel,
Nach Ritzebüttel, nach Ritzebüttel,
Von da nach Blankenese,
Von da nach Altona«.
Aber die Reize des Amtes Ritzebüttel konnten mich so wenig wie andere nachher ausgewiesene Sozialde-
mokraten verlocken, mich dort niederzulassen.
Band 1, München 1914
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Ida Boy-Ed: Vor der Ehe
Als man sich der Landungsbrücke näherte, der weltberühmten »Alten Liebe« von Cuxhaven – dieser Stätte,
an welcher der Völkerverkehr vorbeiflutet – die den Schmerz der Ausreisenden und die Wonne der Heim-
kehrenden kannte, die alle Hoffnungen und alle Enttäuschungen auf ihren Balken hatte flüstern und weinen
hören
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Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben
Den 12. September verlasse ich Helgoland. Gute Fahrt: wir kommen wohl und munter in Cuxhaven an. Die
hannoverschen Freunde warten schon auf mich. Wir spazieren nach Ritzebüttel. Abends mir zu Ehren ein
großes Gastmal. Viele Hofbesitzer aus dem Lande Hadeln, einige Bremerleher und Hauptmann Böse von
Bederkesa, etwa 40 sind eingetroffen. Im großen Saale des Gasthofs zu Cuxhafen ist eine lange Tafel ge-
deckt. Das Mal beginnt. Nach dem ersten Gerichte bringt August von Seht meine Gesundheit aus. Nachdem
ich meinen Dank dargebracht, folgen viele Trinksprüche und Lieder. Allgemeine Heiterkeit. Um Mitternacht
fahre ich mit Christian Schmoldt nach seinem Gute in Westerende-Otterndorf.
Teil 1, Berlin 1894
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Gorch Fock: Seefahrt ist not
- Zehnter Stremel -
Es gab noch die Schanze zu sehen mit den schwarzen Kanonenschlünden, die die Elbe bewachten, das
Ostefeuerschiff , das an seinen Ketten riß, die Türme von Altenbruch; dann kam Cuxhaven in Sicht, der
dicke Leuchtturm, die Kugelbake. Da sah Störtebeker zum erstenmal ein großes Schiff, eine Bark, unter
Rahsegeln. Sein Vater wies ihm den alten und den neuen Hafen, die großen Seeschlepper, die mächtigen
Anker, die am Deich standen, das Schloß Ritzebüttel, das klug und geborgen aus den Bäumen lugte, er
zeigte ihm einen Seehund, der hinter dem Ewer auftauchte, und drei Masten, die im Norden kahl und verlas-
sen aus der See ragten.
Störtebeker wurde doch stiller, als er das Land kleiner und die See größer werden sah, als er wahrnahm,
daß der Ewer ungestümer auf und ab tauchte und sich schräger legte als vorher, aber er hielt tapfer aus und
ließ sich nichts anmerken.
Es gab kein Halten mehr für den großen Ewer: Mit dem flagigen, starken Südwestwind in den Segeln braus-
te er mächtig einher und schnitt eine breite, schaumige Furche wie ein rechter Pflüger. Noch trug er die Se-
gel ohne Reff, aber die Luft schmierte zu, dunkle Wolken beschatteten die See, und auf den Watten räucher-
te die Brandung. Mit breiten, langen Kämmen kam die Flut ihnen entgegen, aber diesmal wurde der Ewer
Baas über sie, denn er hatte Wind und ließ sich von ihr nicht mehr aufhalten. Sie segelten an der Kugelbake
vorbei, der großen Frau der Elbmündung, die immerfort nach ihrem Mann sucht, der doch längst geblieben
ist, und nahmen Kurs nach dem vierten Feuerschiff, Nord zu West.
Bald verlangte der Südwest nach Südwestern; er brachte Regen und jagte die Seefischer ins Ölzeug. Auch
Störtebeker mußte hinein. Als sein Vater ihm den Rock zuknöpfte, sah er ihn forschend an und bemerkte,
daß das Gesicht schon etwas blasser geworden war; er tat aber, als hätte er nichts gesehen. Dem Knecht
und dem Jungen hatte er untersagt, mit der Seekrankheit zu drohen und Störtebeker bange zu machen. So
gedachte er, ihn am besten davor zu bewahren.
Heiter wies er ihm den dicken Turm von Neuwerk und erzählte, daß Störtebeker von dort einen Gang unterm
Wasser bis nach Cuxhaven gehabt hätte.
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