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Zeichen und Wunder - die Telegraphie kommt nach Cuxhaven Vorwort Leider muss vorab gesagt werden, dass die Quellen untereinander mit kalendarischen, teilweise auch mit  faktischen Daten differieren. Ich habe versucht, soweit möglich, der Logik zu folgen, bzw. in verschiedenen  Fällen die Differenz vermerkt.  Vorgeschichte Cuxhaven, genauer, dessen Vorgänger, das Hamburgische Amt Ritzebüttel, Hamburgs Dependance an der  Elbmündung, war von jeher in vielerlei Weise wichtig für den hamburgischen Handel zur See.   Mit der Eröffnung der ersten Europäischen Börse in Hamburg im Jahre 1558 wurde die möglichst frühzeitige  Weitermeldung in die Elbe einlaufender Schiffe an die Eigner zunehmend wichtiger. In Ermangelung geeig-  neter Landverbindungen verlief die Nachrichtenübermittlung mit Expressbooten über die Elbe, jedoch der  hohen Kosten von 6 bis 8 Reichstalern je Fahrt wegen behalf man sich zumeist mit Sammelmeldungen. So  war es nur normal, wenn die frühesten Meldungen einer Charge erst nach dem Einlaufen der Kauffahrtei-  schiffe ihr Ziel erreichten.  Bereits aus dem Altertum sind besondere Fälle von schneller Nachrichtenübermittlung über weite Strecken  bekannt. So wurde laut dem Geschichtsschreiber der Fall Trojas um etwa 1200 vor Chr. mit Feuern in nur  einer Nacht 555 Kilometer weit nach Argos übermittelt. Von König Xerxes ist bekannt, dass er sich rufender  Melder bediente und so an einem Tag eine Strecke von 30 Tagesreisen überbrücken konnten. Ähnliches,  aber auch Läufer und Reiter nutzten die Griechen. Geradezu urzeitlich nimmt sich dagegen aus, dass Goe-  the in Karlsbad erst nach 14 Tagen vom Tode Friedrichs des Großen erfuhr und der Fall von Paris im Jahre  1814 erst neun Tage später in Berlin bekannt wurde.   Erste Versuche  Im Jahre 1774 dann erfindet der Pariser Abbé und Ingenieur Claude Chappe ei-  ne Maschinerie zur optischen Übermittlung von 28 verschiedenen Charakteren.  Diese nennt er zunächst `Tachygraph´, später wird sie umbenannt in Telegraph.   Wie wohl seit Beginn der Nachrichtenübermittlung geschah diese nahezu aus-  schließlich zur militärischen Nutzung. Das Bekanntwerden Chappe´s Erfindung  bringt die `Hamburgische Gesellschaft zur Förderung der Künste und des nütz-  lichen Gewerbes´ dazu, diese Gepflogenheit zu durchbrechen und eine Kom-  mission zur Prüfung der Möglichkeiten einer Übermittlungsstrecke nach Cux-  haven einzuberufen. Ihr gehören die Professoren Büsch und Brodhagen, Direk-  tor Reinke, der Stader Kapitän Müller und der in Cuxhaven wirkende Wasser-  baudirektor Reinhard Woltman(n) an. Das Ergebnis sind die Vorschlagung von  verschiedenen Übermittlungsstrecken beiderseits der Elbe bei Kosten von jähr-  lich 4.400 bis 8.000 Reichstalern. Sie beinhalten sowohl die Einrichtung mit  allen dazugehörenden Kosten, sowie die laufenden Kosten für Unterhalt und  Personal. Vorgesehen werden dabei fünf bis sechs Übermittlungsstellen und zwei Endpunkte.   War das Ergebnis der Gutachten der Beschluss, "... durch merkantile Publikation der Vaterstadt die Realisie-  rung der Pläne vorzulegen und zur Beherzigung zu empfehlen", so kam es zum falschen Zeitpunkt. Wäh-  rend sich Schweden und England bereits 1794, bzw. 1796 für den Bau entscheiden, gefolgt 1802 von Dänen  und Russen, endet das Projekt für die Hamburger Privat-Interessenten am Geldmangel. Auch ein geradezu  euphorischer Bericht des 1796 zwecks eigener Anschauung nach Paris entsandten Domherren Meyer än-  dert daran nichts mehr. Er beschreibt die Weiterleitung "mit einer Schnelligkeit, die den Vogelflug weit über-  treffe". Ein einzelnes Zeichen brauchte für eine Strecke von 153 Kilometern 5 Minuten. Auch ein erneuter  Vorstoß der Hamburger Kaufmannschaft unter Edward Roß an die `Commerz-Deputation´ im Jahre 1818  bringt keinen Erfolg.  So wird auf Deutschem Boden die erste Stecke in Eigenregie erst 1832 von Berlin nach Kassel eingerichtet.  Schuld an der Verzögerung ist nicht zuletzt der Terretorialdrang Napoleons.  Dennoch entsteht 1813 auf Be-  fehl Napoleons in nur 2,5 Monaten eine 225 Kilometer lange Linie von Mainz nach Metz in Frankreich.  Optische Telegraphenverbindung Duhnen - Neuwerk Doch bereits 1810 wird von den französischen Besatzern eine Telegraphen-  verbindung von Duhnen nach Neuwerk eingerichtet. Damit gehört das Amt  Ritzebüttel zu den frühen Vertretern dieser Erfindung im Deutschen Reich,  wenn auch aufoktruiert. Jedoch geht es hier um eine reine Nachrichtensen-  dung ohne Weiterleitung über Relaisstationen.  Anlässlich des Deutsch-Französischen Krie-  ges wird im Jahre 1870 am 18. Juli nochmals  eine optische Telegraphenstrecke von Duh-  nen nach Neuwerk eingerichtet. Der Duhner  Telegraph befand sich auf dem Grundstück,  heute Wehrbergsweg 3, zwischen Dorfbrun-  nen und Rugenbargsweg. Der Neuwerker  Signalmast steht noch heute nahe dem Neu-  werker Bauhof, eingerahmt von zwei Kano-  nen.  Aufgrund der mangelhaften Übertragungssicherheit wird die optische Über-  tragung jedoch bereits am 30. d.M. wieder eingestellt und eine elektro-mag-  netische Telegraphenverbindung in Betrieb genommen.  Dieses war jedoch nicht das Ende der optischen Signalübermittlung. So gibt es ein Zitat des Hauptlehrers an  der Cuxhavener Volksschule in der Deichstraße, J. A. Becker, in seinem Buch `Cuxhaven und das Amt  Ritzebüttel´ aus dem Jahre 1880: "Nach dem Lande zu steht eine Signalstange, an der durch aufgezogene  Bälle Nachrichten über gestrandete Schiffe nach Duhnen telegraphiert werden; eine dabei befindliche  Kanone dient wahrscheinlich dazu, den Strandvoigt in Duhnen aufmerksam zu machen ... ". Doch scheint  diese nicht neu zu sein, denn bereits der Amtmann Amandus Augustus Abendroth spricht in seinem Buch  `Ritzebüttel und das Seebad zu Cuxhaven´ aus dem Jahre 1818 von der `Lärm-Kanone zu Neuwerk´, mit  der Strandungen angezeigt werden. Nicht bekannt ist, von wann bis wann diese Art der Alarmierung ange-  wandt wurde.  Die optische Telegraphenlinie zwischen Hamburg und Cuxhaven  Um die Mitte der 1830er Jahre greift der aus Wildeshausen gebürtige  Altonaer Kaufmann und Weinessigfabrikant Johann Ludwig Schmidt,  eine Kämpfernatur, die Pläne nochmal auf. Er plant die Ausführung einer  von ihm stark verbesserte Chappesche Anlage zwischen Hamburg und  Cuxhaven, später dann zwischen Bremen und Bremerhaven. Er erwirkt  die Genehmigungen der betroffenen Länder Hamburg, Dänemark und  Hannover, durch deren Gebiete die Linie führt und errichtet sieben Stati-  onen, die zwischen 18. März 1838 und 18. Mai 1839 ihren Dienst aufneh-  men. Sie werden später durch eine achte und danach eine neunte Sta-  tion ergänzt. Dieses sind  Cuxhaven (auf dem Kröger´schen Speicher).   Otterndorf (auf einer Plattform des Kirchturmes)  Wingst (auf dem Fahlenberg, seit 1852 `Deutscher Olymp´)  Klindtberg b. Hechthausen  Brunshausen/Stade (Hoher Wedel)  Schulau/Wedel  Kosterberg b. Blankenese  Altona, das Baumhaus am Baumwall am Hafen  ab 18. März 1848 der Telegraphenturm der nach dem   großen Brand neuerbauten Hamburger Hauptpost.  Übermittelt werden zumeist: Schiffsnamen des in die Elbe einlaufenden  Schiffes, Name des Kapitäns, Korrespondenten oder Maklers, Angaben  zur Ladung und Quarantänefreiheit. Die Anlage überträgt 86 verschiede-  ne Zeichen bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 1½  - 2 Zeilen in 8  Minuten.  Da Schmidt die hamburgische Kaufmannschaft  ebensowenig begeistern kann wie den Senat,  angesichts der zu erwartenden Kosten, grün-  det er zur Finanzierung des Unternehmens  1838 eine Aktiengesellschaft, die `Hamburg-Altonaer Telegraphen-Linie´. Jedoch  ist das Misstrauen so groß, dass er lediglich 15 Aktien absetzen kann, die rest-  lichen muss er selber übernehmen. Ebenso in den ersten Jahren die Betriebs-  und Unterhaltskosten abgesehen von geringen Zuwendungen der Commerz-De-  putation. Erst nach drei Jahren kann er einen kleinen Kreis von Kaufleuten zur  Unterstützung für fünf Jahre gewinnen. Eine große Popularität erhält die Anlage  für einige Zeit durch die schnelle Alarmierung von Hilfskräften entlang der Strecke  angesichts des großen Hamburger Brandes im Jahre 1842, wo vom 5. bis 8. Mai  Nachrichten über den Brandverlauf weitergegeben werden.  Anlässlich eines erneuten finanziellen Fias-  kos 1841 entschließt Schmidt sich zur An-  stellung eines kaufmännischen Direktors,  sowie eines technischen Inspektors. Ersterer wird der Hamburger  Kaufmannssohnes Ernst Merck, zweiter der Menschenrechtskämpfer,  Literat und Telegraphiepionier Friedrich Clemens Gerke. Gemeinsam  strukturieren sie das Unternehmen soweit um, dass es Gewinn ab-  wirft. Von der Entscheidung für  Gerke besteht die Anekdote, die  Nachricht der bevorstehenden  Schließung der Telegraphenlinie  habe Gerke zu einem Gedicht  veranlasst, in dem er dieses als Rückschritt bedauert. Gerke war es  denn auch, der von seinem Arbeitsplatz im Hamburger Baumhaus 1842  das Brandgeschehen verfolgen konnte und den Telegraphen zur Situa-  tions- und Mitteilungsübertragung einsetzte. Ebenso geschahen die  Hilfeersuchen auf seine Veranlassung, aufgrund derer ebenso wie von  anderen Streckenanliegern auch von Cuxhaven aus sowohl Hilfsgüter, als auch Hilfsmannschaften nach  Hamburg entsandt wurden.  Zwei Anzeigen über Schiffsbewegungen in Cuxhaven in Hamburger Zeitungen vom 13. und 17. Mai  1842, basierend auf aus Cuxhaven gelieferten Telegraphenmeldungen.  Links ein Ausschnitt aus einem Hamburger Zei-   tungsartikel vom 14. Mai 1842 über Hilfeleistun-   gen von Anrainern der Telegraphenlinie.   Der elektrische-magnetische Telegraph Praktisch ist das Unternehmen bereits zu Beginn zum Scheitern verurteilt, da im Jahre 1837 der Amerikaner  Samuel Morse seine galvanischen Telegraphen erfindet, der unabhängig von Tageszeit und Witterung auf  billigste Weise sowohl in Installation als auch in Unterhalt seinen Dienst tut.  Im Sommer 1847 führen die Amerikaner William Chaplin und Charles Robinson ihren elektro-magnetischen  Telegraphen in der Hamburger Börse vor. Der erste übertragene Satz, vorgegeben vom Börsenvorstand,  lautet: "I hope you will do your duty". Schnell erkennt man die Vorteile gegenüber der optischen Anlage, so  auch Gerke. Vergeblich versucht er, Schmidt von den Vorteilen zu überzeugen, der jedoch beharrt auf seine  Anlage. Dieses führt zum Bruch zwischen Schmidt und Gerke, der daraufhin im Jahre 1848, ebenfalls als  Inspektor, zur 1847 gegründeten `Electro-Magnetischen Telegraphen Companie´ wechselt. Auch Schmidt  war in der neuen Gesellschaft ein Direktorenposten angeboten worden. Ein Testaufbau nach Blankenese  wird von der Stadt Altona verhindert. Man ist nicht bereit, das Stadtbild durch Telegraphenmasten `schimp-  fieren´ zu lassen. Daraufhin erwirken sie im gleichen Jahr die Erlaubnis, ebenfalls eine Trasse nach Cux-  haven zu verlegen in direkter Konkurrenz zur Schmidtschen Anlage. Anfänglich kann Schmidt seine Nach-  richtenlinie durch Einsatz aller, auch grenzwertiger Mittel, gegen diese amerikanische Konkurrenzlinie ver-  teidigen. So gibt er unter anderem 1848 eine von ihm verfasste Broschüre `Des Telegraphen Rückblick´ her-  aus, in der er die Bedeutung seiner Anlage während des Hamburger Brandes herausstellt, um die Bevölke-  rung auf seine Seite zu ziehen. Ebenso veröffentlicht er ein Gutachten, welches auf Gefahren für Leib und  Leben, Verhinderung von Wolkenbildung und damit verbunden Missernten attestiert. Erfolg dessen ist, dass  einerseits die elektrische Strecke teilweise unter militärischen Schutz gestellt und Strafen von 25 Talern oder  14 Tagen Haft angedroht werden muss, andererseits aber von den Erbauern auch sicherheitstechnische  Nacharbeiten verlangt werden. So wird z. B. gefordert, dass strohgedeckte  Häuser, über denen die Leitun-  gen verlaufen, mit Ziegeldächern versehen werden. Als sich Schmidt nicht ausreichend von der Stadt Ham-  burg unterstützt sieht, geht er offen zum Angriff über und stellt seinen Tele-  graphen am 23. Juli 1848, dem Tag der Inbetriebnahme der Station auf dem   Turm der neuen Post, in den sendefreien Zeiten in den Dienst der aufkom-  menden Revolution, indem er mehrfach täglich Berichte aus anderen Unruhege-  genden des Reiches sendet. Gleichzeitig verteilt er öffentlich seinen verwende-  ten Zeichensatz, sodass sich jeder interessiert Bürger über die Vorgänge infor-  mieren kann. Damit hat er den `Volkstelegraphen´ gegründet, von der Bevölke-  rung  `Redner mit den Armen´ genannt. Ja, er ruft sogar zur Verteidigung des  Frankfurter `Grundgesetzes´ und zur Volksbewaff-  nung auf. Klar, dass er sich mit seinem `Volkstele-  graphen´ keine Freunde bei der Obrigkeit schafft.  Als Schmidt eine für den 4. August 1850 beantragte  Volksversammlung auf der Altonaer Bürgerweide  untersagt wird, gibt er einen Schmähschrift gegen  den Altonaer Polizeimeister Warnstedt und die  Stadtverwaltung heraus. Seiner drauf folgenden Ver-  haftung, entzieht er sich nach Bremen, wird aber  dort arretiert und nach Altona verbracht, wo er je-  doch nach wenigen Tagen wieder entlassen wird.  Erste Nachricht des neuen elektrischen Telegraphen ist anlässlich eines Testbe-  triebes am 4. Oktober 1848 um 17 h der Abzug der vor Cuxhaven auf Reede  gelegenen Dänischen Kriegsschiffe. Am 15. Oktober 1848 wird die elektrische  Strecke Hamburg - Cuxhaven in Betrieb genommen. Das Hamburger Kopfbüro  befindet sich im Gebäude der Börse. Damit wird das Ende der optischen Nach-  richtenübermittlung eingeläutet. Am 19. August 1849 stellt die optische Elblinie  ihren Dienst ein und wird demontiert, die Aktiengesellschaft tritt in eine stille Liquidation. Am 15. November  1850 stellt der Telegraph in Hamburg seine Volks-Nachrichten ein, der Mast wird wegen Verkehrsgefährdung  ein.  Trotz des zu ahnenden Endes eröffnet Schmidt im Jahre 1846/47 eine weitere Nachrichtenstrecke von  Bremen nach Bremerhaven mit einer Querverbindung zum Klindtberg, Hechthausen als Anschluss nach  Hamburg. Die bereits ein Jahr zuvor in Betrieb genommene elektromagnetische Telegraphenlinie entlang der  Weser brachte für Schmidts optischen Telegraphen 1852 auch hier das Aus. Gleichzeitig waren damit auch  seine durch Gerkes Eingreifen in den 1840er Jahren erfahrenen Gewinne zunichte. Schmidt verstirbt im  Jahre zuvor, 1851, nach längerem Leiden verarmt in Oldenburg.  Anno 1854 dann kündigen die hannoverschen Behörden der privaten elektro-magnetischen Gesellschaft die  Konzession, sodass sie hinfort ausschließlich Schiffsmeldungen übertragen darf, was zu einem deutlichen  Rückgang der Gewinne führt. Daraufhin entschließt sich die Stadt Hamburg zur Einrichtung eines Staats-  Telegraphen auf Hamburger Territorium. Zwei Jahre später übernimmt die Stadt auch die Privatstrecke nach  Cuxhaven.  Dem von Preußen durch Annexion Schleswig-Holsteins und Hannovers gegründeten Norddeutschen Bund  tritt Hamburg im Mai 1867 vorsichtshalber freiwillig bei. Dieses führt dann zu einer einheitlichen zusammen-  gefassten Verkehrsanstalt des Telegraphenwesens, in der auch die elektro-magnetische Telegraphenlinie  Hamburg - Cuxhaven aufgeht.  Nachtrag Aus einem zeitgenössischen Bericht (auszugsweise):  Galvanischer Telegraph von Hamburg nach Cuxhaven. (1849. 8ten bis 11ten April) "Der Uebergang über die Elbe ist mittelst 160'  hoher Masten in drei Längen von 1000', 800' und 700' be-  wirkt. Die Entfernung beträgt von Hamburg bis Haarburg 1 Meile, bis Stade 6 Meilen, bis Otterndorf 15  Meilen, bis Cuxhaven 18 Meilen. . . .  Der Uebergang über die Elbe bot besondere Schwierigkeiten wegen der hochmastigen Segelboote, die  passiren. An drei Stellen mußte man Masten von 160' Höhe errichten, welche durch ein System von Eisen-  stangen in den zwei untern Etagen verstärkt sind. Die Leitung besteht hier aus vierfachem Stahldraht, stark  zusammengedreht und nicht geglüht. Er hält für sich, ist jedoch schon einigemal durch Segelschiffe abgeris-  sen worden; daher schon vorräthige Längen zum schnellen Aufziehen in Bereitschaft gehalten werden. Die  Leitung ist auch schon mehrmals durch Böswilligkeit unterbrochen worden. Zwischen Otterndorf und Cuxha-  ven hat man sogar Stützbäume abgesägt. Der Telegraph folgt erst der Straße, dann Feldwegen, theilweise  ist er über die Felder gezogen. Ein besonderes Beaufsichtigungspersonal ist dafür nicht angestellt. Der  Uebergang über die Elbe kostete mehr als 6000 Mark, die ganze Anlage 55,000 Mark, also pr. Meile circa  3000 Mark. Die Oberleitung des Baues führte Robinson und der Telegraph-Inspector Gerke. Das  Unternehmen ist, wie schon erwähnt, auf Actien gegründet, die Directoren sind Möring und Godefroy. Der  Telegraph kann vom Publicum benutzt werden. Der Preistarif ist gebildet nach den amerikanischen und  englischen. Auf jeder Station sind zwei Telegraphisten angestellt. Sie stehen sämmtlich unter Inspector  Gerke. Täglich werden die telegraphischen Mittheilungen von commercieller oder politischer Wichtigkeit  gedruckt. Das Budget für die Anstalt ist vorläufig auf jährlich 10,000 Mark angesetzt. Als Rivale dieses Un-  ternehmens tritt der noch zwei Jahre fortbestehende optische Telegraph von Hamburg nach Cuxhaven auf.  Daher kann der galvanische Telegraph jetzt noch nicht gut rentiren, doch trägt er schon gegenwärtig nahe  seine Unterhaltungskosten. Sein Bestehen ist jedoch zu kurz, um hierin sichere Anhaltspunkte zu geben.  Der Telegraph wurde erst im verflossenen October fertig. Im Winter kam eine elektrische Erscheinung unter  Schneegestöber vor, welche die Pole der Apparate umkehrte. Die Störung verging jedoch allmählich von  selbst wieder.   . . .  Man denke sich in die durch den Boden geschlossene Leitungskette zwischen Hamburg und Cuxhaven  eingeschaltet: 1) an den beiden Endstationen die zwei Daniel'schen Batterien; 2) auf jeder Station den  Multiplicator ihres Relais. Durch diese Kette geht beständig der Strom, welchen die zwei Endbatterien her-  vorbringen. Die Elektromagnete aller Relais sind also beständig angezogen. Nun ist auch auf jeder Station  eine Klappe zum Schreiben oder eigentlich nur zum Oeffnen dieser Leitungskette angebracht. Wie man jetzt  auf einer der Stationen die Klappe niederdrückt und damit den Leitungsdraht der Kette an dieser Stelle  auseinander nimmt, hören alle Elektromagnete der Relais auf magnetisch zu seyn. In demselben Augen-  blicke aber reißt die Feder, welche an dem Hebel des Relais angebracht ist und beständig strebt den Anker  vom Elektromagnet zu trennen, den Anker wirklich ab. Hätte dieser Anker für sich Kraft genug, sichtbare  Eindrücke auf dem Papiere hervorzubringen, so wäre hiemit auch schon der ganze Telegraph fertig. Allein  der Anker der Relais geht nur mit einer sehr geringen Kraft, weil der Widerstand in der sehr langen Leitungs-  kette und in den Multiplicatoren der Relais beträchtlich ist. Darum ist auf jeder Station ein besonderer  Schreibapparat angebracht. Dieser arbeitet nicht mit der Kraft eines Uhrwerkes, was sich ebenfalls machen  ließe, sondern mit Elektromagnet. Zum Elektromagnet des Schreibapparates ist nun die Grove'sche sehr  kräftige Batterie auf jeder Station aufgestellt. Ihr Schließungsdraht bildet die Multiplicatoren des Schreibap-  parates. Dieser Schließungsdraht für jeden Schreibapparat ist so lange offen, als der Anker des Relais von  seinem Elektromagnet angezogen wird. Wie aber der Anker des Relais abfällt, d.h. wie der Strom in der  ganzen Leitungskette an irgend einer Stelle unterbrochen wird, schließt dieser Anker des Relais an seinem  Stützpunkte die Grove'sche Batterie und verwandelt dadurch die Multiplicatoren der Schreibapparate in  starke Elektromagnete, welche sogleich den Hebel mit dem Schreibstift anziehen. So bleibt der Hebel aller  Schreibapparate gegen den fortrückenden Papierstreifen angedrückt, bis man die Leitungskette wieder  schließt durch Loslassen der Klappe. Denn jetzt werden die Multiplicatoren der Relais wieder Elektromag-  nete, ziehen ihre Anker an und trennen somit den Schließungsdraht der Grove'schen Batterie auf allen Sta-  tionen, und in diesem Augenblicke wird auch der Hebel mit dem Schreibstift von seiner Feder zurückgezo-  gen, d.h. der Elektromagnet des Schreibapparates abgerissen.  . . .  Im Allgemeinen sind die Wirkungen des Apparates in hohem Grade befriedigend. Ein gut eingeübter Tele-  graphist schreibt durchschnittlich 17 Worte in einer Minute, also ebenso schnell als mit der Feder. Der Appa-  rat hat keinen Fehler gemacht, so oft und soviel ich zugesehen habe damit telegraphiren. Man besitzt in dem  Papierstreifen ein gedrucktes Document über die gemachte Mittheilung, was auch später noch nachgelesen  werden kann. Das jetzt benutzte Alphabet von Gerke ist keineswegs möglichst einfach, weil Buchstaben und  Zahlen vorkommen, zu welchen sechs einzelne Zeichen erforderlich sind. Ebenso kann es als ein Mangel  betrachtet werden, daß man mit dem Morse'schen Apparat ungleichartige Zeichen gibt, nämlich Punkte und  Striche, oder kurze und lange Zeichen. Es steht daher zu erwarten, daß der Apparat mit der Zeit noch weite-  re Vervollkommnung erhalten werde und also noch raschere Mittheilungen möglich mache. Indessen ist er  schon in seiner jetzigen Form allen übrigen unzweifelhaft vorzuziehen, wenn es sich darum handelt  möglichst schnell und sicher zu telegraphiren. . . .  Die Grove'sche Batterie mit drei Elementen steht auf  jeder der fünf Stationen; sie verbreitet das sehr lästige  salpetrige Gas, was selbst bei offenen Fenstern sehr störend ist. "  Gerke: Es sollte noch erwähnt werden, dass genannter Friedrich Clemens Gerke der Vater des, abgesehen von den  USA, weltweit verwendeten Morse-Alphabetes ist. Waren zuvor genutze Codes noch gekennzeichnet durch  Zeichen und Pausen variierender Länge, was leicht zu Verwechslungen führen konnte, so belegte Gerke die  Striche, Punkte und Pausen mit festgelegten gleichmäßigen Zeitphasen, bei denen Strich wie Pause drei  Punkten entsprach. Zudem entwickelte er speziell für die Nachrichtenlinie Hamburg - Cuxhaven eine Art  Kurzschricht, bei der häufig genutzte Worte durch Kurzzeichen ersetzt wurden. Seit Gerke hat der Morse-  Code nur noch geringfügige Änderungen erfahren, so zuletzt am 3. Mai 2004 die Aufnahme des Zeichens  @.   Auch wenn der Code heute nahezu ausschließlich von Funkamateuren genutzt wird, so hat er doch in die  moderne elektronische Nachrichtenübertragung Einzug gefunden durch das "dit-dit-dit-dah-dah-dit-dit-dit” ( .  . . - - . . . ), mit dem ein Handyhersteller eine SMS ankündigt.  Abspann Dank an: Academic dictionaries and encyclopedias Albert Einstein-Universität Bildarchiv Foto Marburg Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.): Navigare necesse est - Geschichte der Navigation ISBN 978-3-8370- 3260-4 Hamburger Abendblatt, 12. August 2008 Hanseatisches Sammlerkontor für Historische Wertpapiere Museum für Kommunikation, Hamburg Universität Hamburg - Hans Brecht: Friedrich Clemens Gerke, ein fast vergessener Hamburger Schriftsteller und Erfinder Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky  Erstveröffentlicht (teilweise): cuxpedia.de
Aktie des optischen Telegraphen, gezeichnet von Schmidt Johann Georg Valentin Ruths: Das ehemalig Baumhaus in Hamburg, 1850, Hamburger Kunsthalle. Auf dem Dach die Telegraphenanlage. Claude Chappe Position des Signalmastes in Duhnen auf der Karte des preußischen Landesaufnahme von 1878 Zeitgenössischer Nachdruck eines Codes des Volkstelegraphen mit Abbild des neuen Postgebäudes Modelnachbau einer Steuerungsanlage des optische Telegraphen. Reproduktion einer original Codetafel des Volkstelegraphen aus der Staats- und Universitätsbibliotek Neuwerker Signalstation Station Cuxhaven auf dem Krögerschen Speicher am Alten Hafen, später Beckmannwerft. Station Otterndorf auf dem Kirchturm Zeitungsartikel über aktuelle Schiffsmeldungen aus Cuxhaven Zeitungsartikel über aktuelle Schiffsmeldungen aus Cuxhaven Zeitgenössischer Zeitungsartikel über auswärtige Hilfeleistungen Karte des Cuxhavener Hafens von 1877 mit Position der Signalstation.