Roy Clark - das Fantom Prolog 1967 bringt der Sänger `Hektor von Usedom´ einen Schlager unter dem Titel: `Roy Clark Ballade´ auf den  Markt. Dieser Schlager beinhaltet nicht nur das bis heute andauernde Rätsel um den Interpreten, er  beinhaltet in seinem Text gleichzeitig den Abschnitt: "Ein Zug entgleist und keine Spur - Roy Clark. Wer  weiß, wo's morgen wieder tickt, wenn er den nächsten Zug zur Hölle schickt." Worum handelt es sich hier?   Zu der Zeit hielt eine Erpressungs- und Attentatsserie Deutschland gleichermaßen in Atem, wie Jahre später  der sogenannte `Dagobert´, nur dass ersterer heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Der Mann  dahinter nannte sich `Roy Clark´ oder auch das `Fantom´.   Einleitung   Alexander Bordan H., am 1. Mai 1927 in Celle als Sohn eines Ukrainers und  einer Polin aus Tschenstochau geboren, gehört während der Hitlerzeit als Nicht-  Arier zur untersten völkischen Rasse. Unter anderem ist dieses der Hemmschuh  für den intelligenten Mann. Nach achtjähriger Volksschule bricht er eine  Malerlehre ab, weil er wegen Diebstahls in seinem Betrieb verurteilt wird. Er  hatte Material kaufen wollen, um sich etwas zu verdienen, was ihm jedoch sein  Lehrherr versagte. Ein zweiter Diebstahl folgt. Er stiehlt 26 Eier, um sie  hungernden russischen Gefangenen zu geben. Wieder wird er inhaftiert, heftig  misshandelt und bekommt Tuberkulose. Später wird er in Frankreich Bergmann,  geht dann für fünf Jahre mit der Fremdenlegion nach Indochina, ohne mental  wirklich Soldat zu werden. Danach, wieder in Deutschland, verdingt sich der  staatenlose H. abwechselnd bei einer Spreng- und Tauchfirma, als Hafenarbei-  ter, zumeist aber als Kraftfahrer verschiedener Cuxhavener Unternehmen. Er ist  überall als fleißig aber verschlossen bekannt. Er heiratet zweimal, bekommt  Kinder. Die Ehen scheitern, seine zweite Frau überzieht ihn, mehr noch als die  erste, mit Unterhaltsforderungen, versucht des in dritter Ehe für 28.000 DM  erworbenen Hauses habhaft zu werden. Mit dieser dritter Frau Waltraud lebt er ab 1965 in Altenbruch im  Wehdemacker 10 und hat nun für 5 Kinder Unterhalt zu leisten. Folgerichtig wird er durch den fortwährenden  sozialen Druck der ständig wachsenden Schulden zum Trinker.   1959 hat H. durch die Belastungen hohe Schulden angehäuft. Diese führen ihn in die Kriminalität. Den Aus-  schlag dafür gibt ein Fortsetzungsroman in der Bildzeitung mit dem Titel: `Teufel am Telefon´, der zwischen  dem 23. Februar und dem 25. März 1959 abgedruckt wird. Darin bombt sich ein kleiner, untersetzter, glatz-  köpfiger Mann um die 50 namens Roy Clark durchs Leben, um sich mit Erpressungen und Sprengstoff-  Attentaten mit Nitroglycerinbomben an der Gesellschaft zu rächen für erlittenes Unbill. Damit hat H. sein Vor-  bild, nur will er es besser machen, geschickter, sich nicht erwischen lassen. So beginnt er drei Monate  später seinen `Aufstand´ gegen sein Leben. Er bringt ihm etliche Titel ein wie: `Deutschlands Staatsfeind Nr.  1´, `gemeingefährlichster Erpresser und Bombenleger der Nachkriegszeit´ oder `Bestie in Menschengestalt´.  Kaum ein anderer Verbrecher hatte zuvor eine derartige Publicity in der Bundesrepublik. Am Ende stehen 12  Erpresserbriefe, 3 Sprengstoffattentate und 2 weitere Anschläge, sowie seine Verhaftung.   Geschichte   Im Mai 1959 schickt er aus Pforzheim sein erstes Schreiben an die Bundesbahndirektion Hamburg 50. Darin  fordert er 300.000 DM und droht, einen Zug bei vollem Tempo entgleisen zu lassen. Dummerweise vergisst  er, einen Übergabeort anzugeben und ein Anschlag erfolgt nicht.   Am 15. Oktober 1966 beginnt er, ernst zu machen. In der Zeitung hatte es einen Aufruf an einen anderen  Erpresser gegeben, sich zu melden. Dieses sieht er als ein `Zeichen´ an. Nunmehr verlangt er von  Buxtehude aus 50.000 DM. Als es keine Reaktion der Bahn gibt, lässt er am 8. Dezember nach vorheriger  telefonischer Warnung an die Hamburger Bildzeitung das Schließfach 134 im Hamburger Hauptbahnhof  explodieren. Im Gegensatz zur Romanfigur verwendet er eine Trinitrotoluol-Zeitzünderbombe. Es kommt zu  keinen Geschädigten. Bereits am nächsten Tag fordert er 120.000 DM, wiederum reagiert die Bahn nicht.   Erst am 13. Mai 1967 antwortet das Fantom darauf. An der Nordseebahnstrecke zwischen Bremerhaven  und Bederkesa biegt er mit einem Wagenheber ein Gleisende 32 cm hoch und unterfüttert es mit  Holzbalken. Der Anschlag gilt einem Arbeiter-Triebwagen, der besetzt mit ca. 100 Personen `wie eine  Rakete abheben´ würde. Jedoch irrt sich Clark im Fahrplan und übersieht einen Güterzug, der mit seiner 50  Tonnen-Lokomotive das Hindernis platt walzt. Jetzt erklärt sich die Bahn bereit, auf seine am Ort  hinterlassene Forderung von (diesmal) 200.000 DM einzugehen, sofern er fünf (Fang-) Fragen beantwortet.  Er durchschaut das Spiel und antwortet erbost. Es kommt zu keiner Übergabe.   Weiter geht es am 16. September. Er spannt auf der Strecke Hamburg - Harburg eine 50 kg schwere  Stahltrosse 12 Meter weit quer über die Schienen zwischen zwei Leitungsmasten. Sie wird von einem Zug  zerrissen.   Tags darauf explodiert, ebenfalls am Hamburger Hauptbahnhof, das Schließfach 236. Es kommt zu einem  Verletzten.   Am 25. des Monats kappt er auf einer 500 Meter langen Strecke zwischen Bremen und Oldenburg alle  Signalkabel, der Anschlag wird jedoch entdeckt. Am 2. Oktober explodiert unter einem Triebwagen eine  Bombe. Sie durchschlägt den Boden, verletzt wird ein Postoberschaffner.   Wieder entschließt sich die Bahn zur Zahlung, dieses mal in Höhe der ursprünglichen Forderung von  300.000 DM, und gibt dieses durch ein geheimes Zeichen in der Bildzeitung bekannt. Am 16. Oktober teilt  Clark die Übergabemodalitäten mit. Drei Tage später gelingt der Polizei die Aufnahme der Stimme des  Täters am Telefon. Diese ist jedoch ebenso verstellt wie die Schrift seiner Mitteilungen, sodass eine  Veröffentlichung über Radio und Fernsehen nicht weiterführt. Ergebnis der Öffentlichkeits-Aktion ist lediglich  ein Erfolgsschlager (s.o.) sowie weitere Anschläge. So explodiert am 5. November ein Zementrohr auf dem  Gelände der DB-Direktion Hamburg.   Mit den Absprachen über die 300.000 DM-Übergabe kommt es zu einem furiosen Finale. Mehrfach scheitern  Übergaben, da es Clark zu riskant erscheint. Einmal scheitert eine Übergabe in Lüneburg, ein andermal auf  einer Autobahnraststätte. Es kommt zu Neuabsprachen, Neuforderungen auf der einen Seite und einer  gewaltigen Polizeiaktion im norddeutschen Raum auf der anderen Seite. In einer langfristigen Ring-  Fahndung werden alle Fahrzeugbewegungen um die Übergabeorte erfasst. Dabei wird mehrfach ein  hellblaues Goggomobil erfasst, welches im observierten Gebiet kreuz- und querfahrend angetroffen wird. Am  22. Dezember 1967 wird am Rande der Wingst in der Nähe einer neuerlich abgemachten Übergabestelle  der Goggofahrer beim Wasserlassen am Baum angetroffen und und erneut erfasst. Dieses mal sollte es um  700.000 DM gehen. Wieder fällt das himmelblaue Goggomobil auf und man reagiert. Es werden Clarks Mit-  teilungen mit vorhandenen Schriftproben auf Anträgen des erfassten Goggofahrers in der Kreisverwaltung  verglichen, wobei sich eine immanente Übereinstimmung herausstellt. Kurze Zeit später findet die Polizei in  einem zum Hause H.s gehörenden Holzschuppen die Bombenwerkstatt mit 10,4 kg seines Sprengstoffes.  Dieses reicht zu seiner Festnahme drei Tage vor Weihnachten 1967.   Schlusspunkt Knapp ein Jahr danach, am 20. Dezember 1968 wird H. zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, da das Gericht  es als erwiesen ansieht, dass er Verletzte und sogar Tote billigend in Kauf genommen hat. Er sitzt im Ham-  burger Zuchthaus `Santa Fu´ in Fuhlsbüttel ein.   Über die gesamte Zeit seiner Tätigkeit ist die Bildzeitung die Schnittstelle zwischen dem Fantom und den  Behörden, so hatte es der Bild-Leser Clark gefordert. In einem Schreiben an die Bundesbahn stellt er fest:  "Bildzeitung hat für mich schon beste Arbeit geleistet. Verspreche sie kriegt einmal meine Memoiren." Tat-  sächlich kam es dann auch so, nicht jedoch von ihm sondern von seiner Frau, die der Bild das Exklusivrecht  ihrer Geschichte mit Alexander Bordan H. vergab. Mit dem erhaltenen Betrag aus dem Interview kann sie die  Schulden abtragen.   Bis zuletzt war sie unwissend über das Doppelleben ihres Mannes, den sie als "voller Energie und Ideen"  beschrieb. So entwickelt er im Gefängnis die Voraussetzung für ein `spurgebundenes elektro-magnetisches  Schwebefahrzeug´, für welches er am 25. Februar 1971 das Patent Nr. 1941643 erhält.   Nach seiner Entlassung zieht er mit seiner Frau nach Hamburg-Billstedt, wo er als Kraftfahrer arbeitet. Mit  dem Rat: "Ich kann jedem nur von Erpressung abraten. Man hat keine Chance." tritt er 1997 letztmalig  öffentlich auf.   Abrechnung Was hatte die Aktion am Ende gekostet?   Die `Arbeitsgemeinschaft Roy Clark´, ein Topteam von 23 Spitzenfahndern aus dem Bundeskriminalamt und  den Küstenländern sowie ein Heer von Kriminal-, Schutz- und Bahnpolizisten hatte etwa 2.000 Spuren  verfolgt. Es waren Hubschrauber und Hunde, Radio, Fernsehen und die Printmedien eingesetzt. Durch  Norddeutschland tourte eine `Wanderausstellung´ mit Asservaten, die an den Tatorten gefunden wurden.  Mehrfach lässt die Bundesbahn, wie in kriegsbesetzten Gebieten im 2. Weltkrieg, Waggons vor die eigent-  lichen Züge kuppeln zum Schutz gegen Sprengsätze. Darüber hinaus blieben die Schließfächer im Hambur-  ger Hauptbahnhof für drei Monate gesperrt.   Gekostet hat das Ganze etwa den Betrag der letzten Forderung H.s - 700.000 DM. Dazu kamen die  menschlichen Folgen. Hatten H.s Anschläge nur zwei Leichtverletzte gefordert, so erlitt ein Polizeibeamter  nach einem Verkehrsunfall während einer Ermittlungsfahrt eine Gehirnerschütterung. Ein als Täter bezich-  tigter Mann erlitt während der Vernehmung einen Herzanfall. Ein weiterer, von der Polizei aufgrund einer An-  zeige vernommener Mann, verstirbt drei Tage hernach.   Ebenso hat sicherlich H. gezahlt mit einem Leben ohne Erfüllung und in ständiger Not. Im Nachhinein be-  trachtet war Alexander Bordan H. alias Roy Clark alias das Fantom eine tragische Person der Geschichte,  die von Kindheit an nie eine wirklich Chance zum erfüllten Leben bekommen hat. Der Spiegel schreibt dazu:  "Er ist intelligent, die Psychiater werden es noch bestätigen. Studieren können hätte er, doch niemandem ist  das von vornherein so unmöglich gewesen wie ihm. Er erfährt nicht einmal von seiner Intelligenz, er ist  überrascht und - geschmeichelt - ungläubig, als sie ihm nach den einschlägigen Tests mitgeteilt wird. Wir  müssen diese Menschen fürchten, solange wir nicht alles getan haben, um ihnen zu ihrem Platz, zu der  ihnen angemessenen Ausbildung zu helfen. Denn ihre missachtete Anlage bringt sie zwangsläufig in Gegen-  satz zur Realität, in der sie mehr darstellen könnten, als man sie sein lässt."   Die größte Last aber hatten ab der Verhaftung die Kinder der Familie zu tragen, die sich nicht wehren und  nicht verteidigen konnten gegen die Projektion der Taten des Vaters durch die Bevölkerung auf sie und unter  deren Folgen sie noch heute zu leiden haben.   Nachwort Im Nachhinein kam es zu mehreren Nachahmern der DB-Erpressungen, u.a. zwei 16-jährige Lehrlinge, die  1970 versuchten, die Bahn um 15.000 DM zu erpressen um in der Tagesschau genannt zu werden. Den  zweiten Erpresserbrief gaben sie bei der Bahnpolizei ab, die dabei vorsorglich Fingerabdrücke nahm und mit  denen auf den Briefen verglich. Sie alle führten nicht zu ernsthaften Erfolgen der Erpresser.   Abspann Dank an DER SPIEGEL 43/1967: Hat mei Bomb gezünd DER SPIEGEL 1/1968: Krachen wird es DER SPIEGEL 49/1968: So einen Donnerschlag musste ich haben - SPIEGEL-Reporter Gerhard Mauz Christian Mangels: Küstenklatsch und Strandgeflüster, ISBN 978-3-8313-1973-2 Dierk Strothmann, Hamburger Abendblatt, 10. Dezember 2006: Bahn-Bomber Roy Clark Handwörterbuch der Kriminologie, Band 4, herausgegeben von Alexander Elster, Rudolf Sieverts Internet Erstveröffentlicht: cuxpedia.de
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