Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts galt die Seefahrt den meisten Reisenden
als gefährlich und nach Möglichkeit zu vermeiden. Obwohl sich die Dampfschiff-
fahrt mittlerweile durchgesetzt hatte und mit ihr die altbekannten Gefahren
weitgehend verschwunden waren, dauerte es lange, bis sich das Publikum mit
dem Gedanken vertraut machte, dass Schiffsreise mehr sein kann, als eine
Transportmöglichkeit von A nach B. Es kann Kultur vermitteln, Gesellschaft pfle-
gen, Freude und Erholungswert bereiten.
Passagierschifffahrt nach Amerika war im 19. bis ins
20. Jahrhundert hinein zum großen Teil Auswande-
rung. Naturbedingt brach das Auswanderergeschäft regelmäßig im Winter ein,
sodass die vorhandenen Schiffskapazitäten nicht ausgelastet werden konnten.
Dieses Manko brachte den späteren Generaldirektor der HAPAG, Albert Ballin,
der seine Reederei zur weltweit Größen führte, auf einen Einfall. Bereits zwei
Jahre nachdem die Hamburg-Amerikanische Paketfahrt Aktiengesellschaft ihren
transatlantischen Liniendienst von Hamburg nach Cuxhaven verlegt hatte, wurde
Cuxhaven Ausgangspunkt für Kreuzfahrten. Von hier aus ließ Albert Ballin die
erste Luxus-`Lustfahrt´ der Geschichte beginnen. Damit hatte er das Problem
der Schiffsleerstände gelöst.
Diese weltweit erste Kreuzfahrt startetet voll ausgebucht mit 240 Passagieren
am 22. Januar 1891 auf der `Augusta Victoria´, einem Doppelschrauben-
Schnelldampfer, unter der Führung von Kapitän Barends von der Alten Liebe
und führte über Southampton ins Mittelmeer bis nach Syrien und Ägypten.
Zurück über Malta und Lissabon endete sie am 21. März wieder in Cuxhaven.
Vor der Abfahrt besuchte und besichtigte Kaiser Wilhelm II. gemeinsam mit
Albert Ballin das Schiff. Dieses war der Beginn einer langen Freundschaft der
beiden Schiffsbegeisterten Männer.
Während der 57 tägigen Reise fehlte es den
betuchten Gästen nicht an entsprechendem
Luxus. So war der Tag des Beginns der ersten
Lustfahrt auch der Tag der Geburt der weltweit
ersten Bordzeitung, die im 5-Tagesrythmus
erschien. Auch wenn das Schiff selber einen `Geburtsfehler´ hatte - der
richtige Name des Schiffes wäre nach der Deutschen Kaiserin `Auguste
Victoria´ gewesen, - die Ausstattung und das Programm auf See war erster Klasse und ließt weder Wünsche
offen und Langeweile aufkommen. An den Haltepunkten wurden dazu 13 organisierte Exkursionen ange-
boten.
Diese Fahrt, allgemein als Orientreise bezeichnet, wurde ein so großer Erfolg, dass von nun an jeden Winter
die großen Reedereien HAPAG und Norddeutscher Lloyd einige ihrer in den Sommermonaten im transatlan-
tischen Liniendienst fahrenden Schnelldampfer zu Kreuzfahrten einsetzten. Die Reisen, z. B. ins Mittelmeer,
ab 1894 ins Nordmeer oder ab 1896 in die Karibik, davon in den nachfolgenden Jahren jedes Jahr zwei Ori-
entfahrten, machten die HAPAG für Jahrzehnte zum weltweiten Marktführer im Kreuzfahrtgeschäft.
Auch wenn im Jahre 1900 mit der `Prinzessin
Victoria Luise´ das weltweit erste reine Kreuz-
fahrtschiff in Dienst gestellt wurde, dem 1904
die `Meteor´ folgte, fand das Kreuzfahrtgesche-
hen bis in die 60er Jahre des vergangenen
Jahrhunderts hauptsächlich auf normalen Lini-
enschiffen und außerhalb der Transatlantiksai-
son statt. Erst mit dem Absterben des Linienver-
kehrs wurden die Schiffe in ihrem Aufbau und
Ausstattung spezieller an den Luxuscharakter
des Kreuzfahrtgeschäftes angepasst.
Nach einer kriegsbedingten Unterbrechung expandierte das Geschäft in den so-
genannten Golden Twenties unerwartet stark. Gleichzeitig kam in der Zeit für die-
se Art der Seereise der Begriff `Kreuzfahrt´ auf, nachdem zuvor von Lustreise, Exkursion, Vergnügungsreise
zur See oder einfach von Orientreise gesprochen wurde. Abgeleitet wurde der Begriff aus der Segel-
schifffahrt vom Hin-und-Her-Kreuzen´. Hier ging es darum, zwischen den verschiedenen Häfen zu kreuzen.
Die Zeit des Dritten Reiches änderte die Kreuzfahrtqualität insoweit, als für das Volk die `Kraft durch Freude´
-Schiffsreisen ins Leben gerufen wurden, die praktisch nicht mehr als Kreuzfahrt zu bezeichnen waren, da
sie außerhalb Deutschlands keine Häfen anliefen.
Nach der ersten Fahrt eines Deutschen Schiffes nach dem Zweiten Weltkrieg im
Jahre 1956, der `Ariadne´, ließen sich noch drei Wandlungen verzeichnen. Zum
einen der Zug zur preiswerten Fahrt für den Normalverbraucher. Zum Zweiten die
Einführung der `Clubreise´ durch die `AIDA-Linie´, die das in dem Geschäft übli-
che, der Klientel entsprechende, Nobel-Ambiente außen vor ließ. Man konnte in
jeder Weise ungezwungen teilnehmen wie man wollte, ohne die sonst übliche,
der Tageszeit angepasste Garderobe, dem Stand entsprechend pflichtgeschulde-
ten Besuchen von Festivitäten oder ähnlichen Riten. Erfreulicherweise war diese
Art des Tourismus erstmals auch für Kinder geeignet. Und Drittens ging der Weg
zu immer größeren Schiffen, die in sich eine komplette abgeschlossene Stadt bil-
deten, sodass sich das Erlebnis der Reise vermehrt von den äußeren Zielen weg
hin zum Schiff selber verlagerte. Das Erleben des Schiffes mit all seinen Unter-
haltungs-, Sport-, Freizeit-, kulinarischen, Shopping- und anderen Möglichkeiten
tritt heute überwiegend in den Mittelpunkt der Reise.
Cuxhavens Liegeplatz für die Kreuzschifffahrt ist nach wie vor das Steubenhöft. Für die Abfertigung werden
auch die historischen HAPAG-Hallen eingesetzt, die zusammen mit dem Steubenhöft bis 1968 der transat-
lantischen Passagierschifffahrt dienten und heute Deutschlands letztes geschlossenen bauliches Ensemble
der Zeit der großen Auswanderungen darstellt. Zuweilen finden vom Amerika-Bahnhof anlässlich von Kreuz-
fahrtbesuchen auch speziell anberaumte Sonderzugfahrten nach Hamburg oder Bremen statt.
Traurige Seite der Cuxhavener Kreuzfahrergeschichte ist jedoch, dass sich der stetig wachsende Boom die-
ses touristischen Highlights gänzlich an Cuxhaven vorbei bewegt hat. So sind für das Jahr 2013 für Kiel 136,
für Hamburg 173 und für Rostock gar 197 Anläufe avisiert, dagegen für Cuxhaven soviele wie im Erstlings-
jahr 1891: Einer, in Zahlen: 1.
Aus der Reiseaufzeichnung des Malers und Zeichners Christian William Allers:
Donnerstag, den 22. Januar 1891 : Abfahrt aus Cuxhaven
“Endlich ging's los. Die "Augusta Victoria" hatte mehrere Tage im Eise festgelegen. Heute ist Prachtwetter,
dicker Schnee und Sonnenschein. Der Kaiser hatte morgens noch unser Schiff besichtigt. Wir trafen ihn auf
der Fahrt nach Cuxhaven in Himmelpforten.
In Cuxhaven höllisches Leben, blauer Himmel. Das ganze Nest und
Umgebung auf den Beinen, um S.M. den Kaiser und unsere Abfahrt zu
besichtigen. In langer Reihe stapften wir mit unserem Handgepäck
durch den Schnee zur behaglich dampfenden Augusta Victoria.
Der Hafen und die Schiffe, gewaltig aufgetürmte Eisschollen und der
Schnee wirkten im Sonnenschein sehr malerisch. Die guten Cuxhave-
ner besichtigten unsere Truppe sehr genau, und an Bord wurden wir
mit Musik empfangen. Stewards sind anscheinend reichlich vorhanden
und diese gefälligen Herren hatten uns bald alle Mann samt Gepäck
weggestaut.
Mein Schlafkollege, die Norddeutsche Allgemeine Zeitung in Gestalt des Herrn Jahnel, war schon beim Aus-
packen, und wir verständigten uns bald über die Raumaufteilung. Ich musste fix sein, um meine Requisiten
behaglich und häuslich zu ordnen. Das elektrische Licht wird probiert, das Bett befühlt und beklopft, und
dann zufrieden der Ausgang gesucht. Nach einiger Zeit fand ich auch den Weg an Deck und konnte gerade
noch mein Taschentuch verwerten, um den Tausenden draußen Lebwohl zuzuwinken. Wir hatten uns un-
merklich auf den Weg gemacht.
Gewaltige Hurra's! Die Musikkapelle mit Meister Ascher als Anführer bläst fix
drauflos, alle Hüte und Taschentücher hier und drüben werden geschwenkt und
bald entschwindet die "Alte Liebe". 1½ Stunden fuhren wir durch Eis und
Schnee, das wie dicker Rahm aussieht, ehe wir die eisfreie See erreichen. Sie
war vorläufig noch recht anständig, und alle Passagiere konnten sich vertrau-
ensvoll im eleganten Speisesalon zusammenfinden.
Was für ein Gewühl zuerst an Bord eines solchen Schiffes, aber bald geht alles
seinen ruhigen Gang, Jeder hat seinen Futterplatz, kennt seine Stewards und
die Wege in seine Kojenheimat. Es dauert aber doch viele Tage, ehe man alle
Kniffe und Richtwege im Schiff rausgefunden hat und das Vorder- vom Hinterteil
unterscheiden kann, ohne erst die See und Wellen um Rat zu fragen.
Natürlich fand ich viel mehr alte Bekannte und gute Freunde unter den Passa-
gieren zusammen als ich erwartet hatte. Fast jeder schleppte mich in seine Ko-
je, um die Sache mit Cognac anzufeuchten, denn jeder hatte im Geheimen trotz
Verbot der Gesellschaft eine kleine Ladung eingeschmuggelt. Bei Cognac traut kein Mensch dem anderen,
nicht mal der Paketfahrt, und wie angenehm täuschten wir uns, da eine Unmenge von der besten Sorte an
Bord war.”
PS.:
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Einziger Cuxhavener Teilnehmer an dieser Mutter aller Kreuzfahrten war der Ritzebütteler Schultheiß
Ferdinand Heinrich Segelcke.
•
Laut dem Drucktext einer alten Postkarte wurde nach der Außerdienststellung die wertvolle Salon- und
Kajüten-Einrichtung in das Neumühlener Fährhaus eingebaut.
Bilder des Schiffes
Abspann
Dank an:
- Claus Seedorf
- C.W. Allers: Backschisch - Die erste deutsche Kreuzfahrt im Jahre 1891, ISBN 978-3-86805-159-9
- Lost Liners.de
- Niedersachsen Ports
- NDR.de - Geschichte
Erstveröffentlichung (teilweise): cuxpedia.de
Kreuzfahrt - ein Cuxhavener Kind