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Geschichtliches zu Cuxhaven Inhaltsverzeichnis Plinius d.Ä. und Tacitus über das nordeutsche Küstenland Friedrich Oscar Ruge Freiheit und Sicherheit der Elb-Schifffahrt Erwerbung von Ritzebüttel und Bergedorf Jeweils auszugsweise die Cuxhaven betreffenden Sequenzen. ______________________________________________________________________________________ Plinius d.Ä. und Tacitus über das nordeutsche Küstenland Beide römischen Reisenden und Geschichtsschreiber aus der Zeit um 100 n. Chr. äußern sich in ihren Auf-  zeichnugen zum norddeutschen Küstenland. Plinius der Ältere beschreibt aus eigener Ansicht die Land-  schaft und Lebensweise seiner Bewohner. Er hatte an einer Küstenfahrt mit der Römischen Flotte teilge-  nommen, die ihn bis in die Elbmündung gebracht hatte. Bei ihm sind die Bewohner durchweg als Chauken  bezeichnet. Tacitus beschreibt eher die Einwohner selber jedoch vom Hörensagen und eher idealisiert.   Plinius der Ältere  "Im Norden haben wir den Volksstamm der Chauken gesehen, welche die großen und die kleinen heißen.  Da treibt auf ungeheurer Strecke, zwei Mal in den Abschnitten jedes Tages und jeder Nacht, unermeßlich  sich ergießend der Ocean, so daß er einen ewigen Streit der Natur zudeckt; und zweifeln möchte man, ob  das Gebiet des Landes sei, oder des Meeres. Dort sitzt ein elendes Volk auf hohen Hügeln, oder mit Hän-  den gebauten Erdhaufen (tribunalia); indem man, nach der Erfahrung der höchsten Fluth, Hütten darauf  stellt: Schiffenden gleich, wenn die Gewässer die Umgegend bedecken: Schiffbrüchigen aber, wenn sie sich  verlaufen haben; da man denn die mit dem Meere fliehenden Fische um die Wohnungen her fängt. Sie kön-  nen nicht, wie die Nachbarn, Vieh halten, noch sich von Milch nähren; können nicht einmal mit wilden Thie-  ren kämpfen, weil alles Gebüsch weit entfernt ist. Aus Schilf und Sumpf-Binsen flechten sie Stricke, um den  Fischen Netze zu stellen, und indem sie mit Händen ergriffenen Koth durch die Winde mehr, als durch die  Sonne trocknen, erhitzen sie mit Erde ihre Speisen und ihre vom Nordwinde starrenden Eingeweide Getränk  haben sie nur vom Regen, welchen sie durch Gruben aufbewahren im Vorplatze des Hauses. Und diese  Leute meinen, wenn sie jetzt von den Römern besiegt würden, in Knechtschaft zu gerathen! Fürwahr, so  ist’s: Viele verschont das Geschick zur Strafe."   "Ein anderes Wunder kommt von den Wäldern. Diese erfüllen das ganze übrige Germanien, und fügen zur  Kälte (des Klima’s) den Schatten. Die höchsten aber sind nicht fern von den genannten Chauken; vornäm-  lich um zwei Seen her. Bis an die Ufer stehen Eichen vom üppigsten Wachsthume, und durch die Wellen  untergraben, oder vom Winde getrieben, führen sie große Inseln durch die Verflechtung ihrer Wurzeln mit  sich fort, und also feststehend, schiffen sie vermöge des Geräths ihrer mächtigen Äste: so daß oft unsere  Flotten geschreckt wurden, wenn jene Inseln, wie mit Fleiß, durch die Wellen auf die Schiffs-Vordertheile der  bei Nacht vor Anker Liegenden getrieben wurden, und Letztere, rathlos, was zu thun sei, ein Seetreffen ge-  gen Bäume begannen."   Naturgeschichte, Buch 16. Kap. 1   Tacitus "Im Norden Deutschlands der Volksstamm der Chauken, fängt an von den Friesen, und hat einen Theil des  Meeresufers inne, dehnt sich aber auch zur Seite aller vorher genannten Stämme aus, bis er sich zu den  Katten hin krümmt. So ungeheuren Länderraum besitzen nicht nur, sondern erfüllen auch die Chauken. Das  edelste Volk unter den Germanen, und welches seine Größe am liebsten durch Gerechtigkeit schützt: ohne  Begier, ohne Unbändigkeit, ruhig und zurückgezogen, rufen sie keine Kriege hervor, verwüsten nicht durch  Plünderungs- oder Raubzüge. Und das ist ihrer Tapferkeit und ihrer Kräfte bester Beweis, daß sie, den Vor-  rang zu haben, nicht durch Ungerechtigkeit erlangen. Bereit jedoch sind Allen die Waffen, und wenn es Noth  thut, das Heer, Männer und Rosse in Menge; und ruhend haben sie denselbigen Ruf."   Tacitus erwähnt hier die Chauken und die Friesen. Letzere siedelt er an der Küste an, während sich die  Chauken dahinter bis zu den Chatten, hier als Katten (Nord-Hessen) benannt, ausdehnen zwischen Rhein  und Elbe. Während sich die Friesen beständig gegen die römische Vorherrschaft gewehrt hatten, dienten  viele Chauken als Söldner unter dem römischen Feldherrn Cerialis, so wie 100 Jahre zuvor der Cherusker-  fürst Arminius, bekannt als Hermann der Cherusker.   Erst aus schriftlichen Überlieferungen der Römer wurde bekannt, dass der auch an der Unterweser siedeln-  de Stamm der germanischen Chauken oder Hauken, die auf Wurten siedelten, einige Jahre lang von Kaiser  Augustus ( um die Zeitenwende) unterworfen worden war. Wo die Chauken geblieben sind, ist unbekannt.  Wahrscheinlich haben sie sich mit den seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. aus Holstein vordringenden Sachsen  vermischt, die hier in den nächsten Jahrhunderten die Führungsschichten bilden sollten.   Germania, Kap. 35   ______________________________________________________________________________________ Friedrich Oscar Ruge  Dass die Römer sich nicht auf Rom beschränkt haben, sondern auch Germanien die Leitkultur brachten, ist  bekannt. Dass sie an der Nordseeküste und in der Elbmündung waren, ist belegt durch Plinius und Tacitus.  Dass dies keine Vermutung ist, wurde per Zufall durch einen Fund in der Elbe vor Cuxhaven belegt.   Vermerkt ist der Vorgang in Friedrich Ruges Buch `Otter und Drachen´. Ruge war zeitweise Kommandant  der Cuxhavener Minensucher während des 3. Reiches, später Adjutant Rommels als Admiral, später 1.  Inspekteur der Bundesmarine. Nach dem II. Weltkrieg Mitglied des Stadtrates der Stadt Cuxhaven.   Der Einsteller   Auf den Pfaden der Römer  “Vor vielen Jahren lief eine Minensuch-Flottille in Cuxhaven ein, das damals noch nicht fester Minensucher-  hafen war. Der Kommandeur der 4. K.W.A. (Küstenwehrabteilung, so hieß damals die M.A.A. (Marine-  Artillerie-Abteilung)), namens Schmidt, selbst alter Minensucher, nahm sich der Flottille sehr nett an. Sein  Steckenpferd war Geschichte, und er freute sich, die Tradition seiner Abteilung, wenn auch mit Lücken, bis  auf die römische Wachabteilung zurückführen zu können, die nach Tacitus noch fünf Jahre nach der Varus-  schlacht an der Mündung der Elbe postiert gewesen war.   Nach bewegtem Wochenende stach die Flottille wieder in See, oder vielmehr in die Elbe zu Minenwurfübun-  gen. Nach wenigen Tagen erhielt das Flottillenkommando von der taktischen Nummer 4. eine Kupfertafel mit  lateinischer Inschrift und folgendem Schreiben:           "An das           Kommando der 1. Minensuchflottille           Betr.: Wachübergabe der Römer an die Germanen im Jahre 14 n. Chr.           Vorg.: Äußerungen Kommandeur 4. K.W.A.   Anliegende Tafel wurde beim Minenlichten mit dem 299. Anker aus der Elbe geholt. Sie scheint nach  Cuxhaven zu gehören. Um weitere Veranlassung wird gebeten.           gez. Unterschrift"   Die mit Heringslake echt antik bronzierte Anlage, die an den Kommandeur der 4. K.W.A. weitergesandt  wurde, zeigte folgenden Text, den wir dem ob solchem Latein erschreckten Leser nachher dolmetschen  wollen:           Cras Cuxportum relinquemus,           Roman urbem revertemus.           Domine, defende nos           Contra Frisios barbaros,           Contra maris tempestates,           ne nos rapiat dirus Hades.           Germanorum milites,           Nautae atque pedites,           Hic succedent; tabulam           eis dedicamus, quam           Per futura saecula           Ad extrema tempora           In Honore habeant           Atque bene poliant.           Id. Sept. a. DCCLXCII           a. u. c.           Markus Tullius Faber           Centurio cohortis IV (ballist)           legionis XXII (maritimae)   Frei übersetzt:           Cuxhaven eben wir verließen,           wenden nun gen Rom den Kiel,           gegen diese wilden Friesen           ward die Wache uns zuviel.           O schütz uns, Herr, vor dieser Bande           noch einmal, daß die Rückfahrt klappt,           und vom stürmereichen Strande           uns nicht noch die Hölle schnappt.           Drum euch germanischen Soldaten           melden wir mit Ach ud Krach,           Matrosen und Landratten           unsre abgelöste Wach.           Und des zu Tradition und Zeichen           wir diese Tafel überreichen,           die, wenn man sie genug studiert,           in Ehren hält und blank poliert.           Im September des 767 Jahres           der Gründung Roms           Markus Tullius Schmidt           Befehlshaber des 4. Batailons           der 12. Legion (Küstenüberwachung)   Friedrich Oskar Ruge: Otter und Drachen - Lustige Treibminen auch für Landratten, 1942   ______________________________________________________________________________________ Freiheit und Sicherheit der Elb-Schifffahrt  Am 1. November 1299 erwirkt Hamburg vertraglich von den Herzögen von Sachsen-Lauenburg, Johann und  Albrecht, die Sicherheit der Elb-Schifffahrt vor Übergriffe der Elbanrainer, sowie die Genehmigung zum Bau  eines Seezeichens auf der Insel Neuwerk.   Johann und Albrecht, Herzöge von Sachsen-Lauenburg, bekunden, "daß wir, indem der Rat unserer Räte  und getreuen Vasallen hinzutritt, aus reiner Freundschaft, in der wir die Hamburger Bürger umschließen,  und weil wir den Nutzen des gemeinen Kaufmanns bedenken, denselben Bürgern und allen Kaufleuten, die  das Meer bereisen, woher sie auch immer kommen, die nachfolgend aufgeschriebenen Freiheiten, die ewig  gelten sollen, gewähren.   Erstens, daß sie zum Zeichen und zur Erkennung des Hafens für alle, welche die Elbe hinauffahren zu der-  selben Stadt Hamburg oder von ihr herabfahren, auf der Insel, Nige 0 genannt, gelegen in unserem Land  Hadeln, ein Werk aus Stein oder Holz bauen, hoch, tief, breit und lang, wie es ihnen nützlich scheint, mit  Nutzung der Steine zu Altenwalde oder anderswo in unseren bestehenden Herrschaftsräumen, auf ewig frei  dauernd.   Ebenso gewähren wir ihnen, wenn ein Schiff, welche auch seine Heimat sei bei Hadeln, Wursten oder woim-  mer es in unserem Herrschaftsraum sei, aufgehalten wird, weil das Wasser oder der Wind widrig sind oder  der Grund es festhält oder irgendein Unfall geschieht, die genannten Bürger und gemeinen Kaufleute, aus  welchen Gegenden sie seien, so lange an Körper und allen Sachen sicher und unversehrt unseren Schutz  genießen, indem niemand sie angreift, bis sie ihre Sachen frei und nach ihrem Ermessen hinwegführen  können.  Wir wollen auch, daß diese Bürger und alle Kaufleute, woher auch immer sie sein, diese ewige Freiheit ge-  nießen, daß, wenn ein Schiff Schiffbruch erleidet und wenn die Güter der Schiffbrüchigen zu unsern Ländern  oder anderswohin in unseren Herrschaftsgebieten getragen oder getrieben worden sind ohne Hilfe unserer  Untertanen, die Kaufleute, die einen solchen Schiffbruch erlitten haben, ihre Güter frei hinwegführen können  und überhaupt nichts geben.   Aber wenn sie mittels ihrer Hilfe [wieder]erlangt und zum Ufer getragen worden sind, werden wir und diesel-  ben den zwanzigsten Pfennig von denselben Gütern erhalten. Und diejenigen, denen die Güter gehören,  werden ohne irgendeinen Widerspruch den übrigen Teil völlig erhalten.   Außerdem, wenn dieselben unsere Untertanen im Meer außerhalb eines Hafens, abseits von Sand und Riff  schiffbrüchige Güter finden, werden sie von diesen gleichermaßen den dritten Teil zurückbehalten, und  denjenigen, denen die schiffbrüchigen Güter zustehen, oder ihren Erben stehen die restlichen zwei Drittel  zu.  Bestandteil ist auch die Vereinbarung, daß wir veranlassen werden, daß die schiffbrüchigen Güter, ob sie im  Meer angetrieben werden oder zu den genannten Ländern, nämlich Hadeln; Wursten oder anderswohin in  unseren Herrschaftsgebieten angeschwemmt werden, unter unserer Gewalt und [unserem] Schutz über Tag  und Jahr völlig unversehrt und heil verwahrt werden. Wenn aber in der Zwischenzeit Lebende oder die Er-  ben Verstobener die schiffbrüchigen Güter beanspruchen mit Urkunden der Stadt Hamburg oder einer ande-  ren Stadt oder [eines anderen] Landes, woher auch die sie Zurückfordernden seien, sollen diese ihnen  zurückgegeben werden, wie oben vertraglich geschrieben ist. [...]"   Hamburgisches Urkundenbuch, Bd. I, Nr. CMXVIII, S. 762 f.   ______________________________________________________________________________________ Erwerbung von Ritzebüttel und Bergedorf Aus diesem Zeitraume der Verhältnißgestaltung Hamburg's: von dem Beitritt der Stadt zur deutschen Hanse  bis zur Kirchenreformation, durch Martin Luther veranlaßt — ist zuvörderst zur Anschauung zu bringen, was  die Stadt zur Erweiterung ihres Gebiets, zur Ausdehnung und Sicherung ihres Handels gethan und unter-  nommen und wie sie das red- und rechtlich Gewonnene zu Nutz und Frommen des Gemeinwesens zu meh-  ren, unablässig gestrebt habe.   Zu dem Besitz des für ihren Handelsverkehr' so wichtigen Amts Ritzebüttel kam die Stadt auf folgende Wei-  se. Dies Amt, in der Vorzeit Schloß auch Haus Ritzebüttel genannt, gehörte mit mehrern Dörfern zum hadeln-  schen Gebiet, wie die dem Amte gegenüber liegende kleine Insel Neuwerk, wo Hamburg, mit Erlaubniß des  Herzogs Johann des Zweiten und gegen eine Vergütung im Jahre 1299 einen Leuchtthurm zur Förderung  der Schifffahrt erbauet hatte.   Die Herzoge von Sachsen-Lauenburg waren die Lehnsherren dieses Gebiets und hatten das adlige Ge-  schlecht der Lappen damit belehnt. Diese machten sich durch ihre Seeräubereien furchtbar und trotzten auf  ihr stark bevestigtes Haus, das sie gegen jeden feindlichen Angriff sicherte; besonders gefährdeten sie die  Kauffahrerschiffe der Hamburger. Diese sannen auf ein Mittel, den Frevel zu bändigen, und weil sie wußten,  daß es den Lappen, ungeachtet ihrer Räubereien, dennoch immer an Geld fehle, leiteten sie es ein, daß  ihnen die Lappen gegen ein Darlehn von 240 Mark einige Dörfer verpfändeten, im Jahr 1372 Altenwold und  Graden unfern der Elbe abtraten und sich zugleich verpflichteten, selbst das Schloß Ritzebüttel solle in  Fehdezeiten oder wenn es sonst die Umstände heischten, den Hamburgern offen stehen. Der Vertrag sich-  erte diese vor ferneren Feindseligkeiten, weil die Lappen dadurch in ihren räuberischen Unternehmungen  gegen die Schiffe der Stadt beschränkt wurden und ihrer Beste nicht unabhängig-mächtig blieben.   Zu dieser Veräußerung eines Theils ihres Lehngutes hatten sich die Lappen ohne Einwilligung ihres Lehns-  herrn verstanden; daher protestirte Herzog Erich der Zweite von Sachsen-Lauenburg dagegen und machte  die Sache bei Kaiser Carl dem Vierten anhängig — doch ohne Erfolg. Der Kaiser verhandelte selbst alle  Rechte und Ansprüche des Reichs; Maximilian der Erste behauptete: Carl würde das ganze römische Reich  verkauft haben, wenn er nur einen zahlungsvermögenden Käufer dazu gefunden hätte.   Im Jahr 1393 sahen sich die Hamburger genöhtigt, dem Inhalte des Vertrages gemäß, Schloß Ritzebüttel  mit reisigen Knechten bemannen zu müssen; dem widersetzten sich die Lappen; aber die Hamburger nah-  men 800 Wurst-Friesen in Sold, erstürmten das Schloß und bemächtigten sich seiner und der dazu gehö-  renden Dörfer. Besorgend, der Herzog von Sachsen-Lauendurg möge seine Ansprüche auf diese Gebiete  mit den Waffen geltend zu machen suchen, schlossen die Hamburger im Jahr 1394 einen Kaufvertrag mit  den Lappen, durch welchen diese der Stadt gegen die Summe von 2000 Mk. lübisch das Schloß Ritzebüttel  mit neun Dörfern eigenthümlich überließen. 200 Mk. bezahlten die Hamburger sogleich, die übrigen 1800  Mk. verzinseten sie jährlich mit 10 Procent, den Lappen, welche gelobten, dem Rahte und Bürgern Ham-  burg's keinen Schaden zuzufügen, und wenn sie dessen doch überwiesen würden, des Zinses verlustig zu  gehen. Im Jahre 1419 war die Kaufsumme bezahlt. Auch dieser Veräußerung fehlte die Zustimmung des  Lehnsherrn und die Hamburger mußten fürchten, daß ihnen ein Herzog von Sachsen-Lauenburg das ge-  kaufte Gebiet durch Gewalt oder Rechtsmittel wieder nähme.   Leonhard Wächter, Historischer Nachlass, 1838 Abspann Erstveröffentlichung: cuxpedia.de