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Elbreise - Seebäderverkehr früher Die Reise von Cuxhaven in seine Mutterstadt Hamburg oder entgegen war bis zum Bau der Eisenbahnlinie im Jahre 1881 für den hinreichend Begüterten nicht nur aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse eine Reise mit dem Elbschiff. Ein weiterer Grund war natürlich auch die wesentlich schnellere Fahrt, so erreichte das Schiff den Zielort bei normaler Wetterlage noch am gleichen Tag. Im Nachhinein beschreiben mehrere zeitgenössische Reiseberichte die Schiffsreise auf der Elbe zwischen den beiden Orten. Weiterhin wird auch die Reise nach Helgoland, also der frühe Seebäderverkehr, beschrie- ben. Und letztlich Berichte von Reisen mit dem Paketboot, also einer festen Linienverbindung, von Cuxha- ven nach Yarmonth/England. Die Beiträge wurden nach Reisejahr angeordnet und buchstabengetreu über- nommen. Um beim Thema zu bleiben wurden die Berichte auf die Darstellung der genannten Schiffsreisen gekürzt. Inhalt: Seite 1: Carl Gottlob Küttner - Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien, in den Jahren 1797. 1798. 1799.  P. A. Nemnich - Beschreibung einer im Sommer 1799 von Hamburg nach und durch England geschehenen Reise Freiherr Ferdinand von Rast - Das Leben des Freiherrn Ferdinand von Rast - 1865 Gedicht - Ausschnitt aus einem Spottgedicht aus dem Jahre1869  Seite 2: Karl Reinhard - Von Hamburg nach Helgoland ______________________________________________________________________________________ Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien, in den Jahren 1797. 1798. 1799. von Carl Gottlob Küttner Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1804. Vierter Theil. - Elfter Brief Bremen, den 4ten September. Niemand gehet jetzt leicht von Hamburg nach Cuxhafen zu Lande, wo der Weg durch das Herzogthum Bre- men führt; zu Wasser war uns die Fahrt zu lang; wir beschlossen also, den Weg zu theilen, und Glückstadt mit in unsern Plan zu bringen. Wir gedachten denn, die sieben Meilen dahin durch das Holsteinsche zu Lan- de zu machen, dann ein Boot zu nehmen, und Cuxhafen in einer Ebbe zu erreichen, wie das gewöhnlich ge- schiehet; wobey wir uns aber sehr betrogen fanden. ... Den Weg von Glückstadt nach Cuxhafen macht man gewöhnlich mit einer einzigen Ebbe in fünf Stunden; hat man daneben noch den Wind für sich, so braucht man nur vier, auch wohl nur drey Stunden: und mit der nächsten Fluth geht der Schiffer wieder zurück. Gleichwohl wurden sechzehn Thaler für ein Fahrzeug gefor- dert, das ich mit Mühe endlich für zehn bekam. Aber diese Leute berechnen allemahl ihren Preis auf schlechtes Wetter, und es gibt Fälle (wie ich nunmehr aus eigener Erfahrung weiß) in welchen diese kurze Reise ein sehr langweiliges Geschäft wird. — Wir fuhren heute früh gleich mit Anfange der Ebbe von Glück- stadt ab, hatten aber den Wind so sehr gegen uns, daß wir die Höhe von Neuhaus noch nicht erreicht hat- ten, als das todte Wasser anfing. Hiermit hatte nun unsere Fahrt ein Ende, denn, da der Wind gegen uns war, konnten wir in den nächsten sechs Stunden, wegen der Fluth, nicht weiter. Um fünf Uhr Nachmittags wäre die Ebbe in der Gegend von Neuhaus freylich wieder eingetreten; aber unsere Schiffer wollten, so we- nig als wir selbst, eine Elbfahrt im Dunkeln wagen, weil man alsdann die Bojen auf dem Fahrwasser nicht sehen kann, und — was noch weit wichtiger ist — weil dieser Fluß jetzt so mit Schiffen bedeckt ist, und die Nebel in dieser Jahreszeit so häufig sind, daß man mit Gewißheit darauf rechnen kann, an einander zu lau- fen, in welchem Falle ein kleines Fahrzeug des Unterganges so ziemlich gewiß ist. Wir fuhren also in die Ost  ein, die an sich ein sehr unbedeutendes Wasser ist, aber eine halbe Stunde vor ihrem Einflusse in die Elbe eine sehr wichtige Figur macht. Auf dieser Fahrt quer über die Elbe sahe ich vielleicht mehrere hundert Schiffe von allen Größen. Sie liegen theils vor Anker, weil sie aus der offnen See ihre Zuflucht hierher genommen haben, oder bessern Wind ab- warten; theils waren sie in Bewegung, und begegneten uns in allen Richtungen. Sie können Sich die Lebhaf- tigkeit der Scene nicht vorstellen, durch die wir heute gegangen sind. Die Mündung der Elbe gleicht jetzt einem großen Markte, wo, statt der Menschen, Wagen und Pferde, Schiffe stehen, oder sich kreuzen. Auch ist es ein ziemlich großes Theater! Von Glückstadt bis an das nächste entgegengesetzte Ufer rechnet man eine Meile; hier aber erweitert sich die Elbe sehr schnell, und da, wo wir sie verließen, um nach Neuhaus einzulaufen, setzt man ihre Breite zu zwey Meilen an. Man würde hier glauben, schon im offnen Meere zu seyn, wenn die bey der Elbe sichtbaren Sandbänke und die schwarzen und weißen Bojen, welche das große Fahrwasser bezeichnen, einen nicht vom Gegentheil überführten. Unfreundlich war sie, trotz dem nördlichen Meere; wir wurden so umhergeworfen, daß wir zu einer Zeit insgesammt krank waren. Neuhaus ist ein ansehnlicher Flecken, mit einer Menge guter Häuser, und wo ich Handel und Betriebsamkeit fand. Im Wirthshause, wo wir übernachten werden, stehet unten ein Billard, und oben ist ein großer Gesell- schaftssaal mit Spieltischen, auf welchen neue Karten bereit liegen, mit Papier und Bleystift in der schönsten Ordnung. Alle Sonntage, hieß es, ist hier Assembler. Auch werden gelegentlich Bälle in diesem Hause gege- ben.   Cuxhafen, den 5ten September 1799. Es scheint ein eigenes Verhältniß über mich zu walten, so bald ich etwas mit dem Wasser zu thun habe! Heute früh mußten wir vor fünf Uhr aufstehen, um eine Stunde nachher zu zweifeln, ob wir würden segeln können, und zwey Stunden noch später uns mit eigenen Augen zu überzeugen, daß es unmöglich war. Wir konnten den Fluß nicht wieder hinab, den wir heraufgekommen waren, und während daß die Elbe hinablief, trieb der Wind eine solche See die Ebbe herauf, daß die Wellen wie kleine Hügel aussahen. Unsere Schiffer, die mich gestern sehr angelegen hatten, sie zu entlassen, wobey sie aber sehr schlechte Bedingungen machten, waren nun höchst gleichgültig bey der Sache, denn sie konnten jetzt eben so wenig nach Glück- stadt, als wir nach Cuxhafen segeln. — Wir nahmen nun einen offnen Postwagen, der uns in wenig Stunden hierherbrachte. — Seit elf Tagen ist kein Paketboot abgegangen, und so haben sich die Fremden von vier Posten gehäuft. Die Folge davon in allen kleinen Seehäfen ist, daß man nach der zweyten oder dritten Post in keinem öffentlichen Hause mehr unterkommt, und daß man sich gefallen lassen muß, was die Leute mit einem verfügen. Als England vor einigen Jahren das Paketboot hierher verlegte, das sonst zwischen Harwich und Helvets- luys ging, fragten viele Leute, wo denn dieses Cuxhafen eigentlich sey? In der That sucht man es auch jetzt noch auf vielen Karten vergebens, worunter denn auch die Güssefeldsche von Niedersachsen gehört. Der vorzüglichere Ort heißt Ritzebüttel, und Cuxhafen ist nur der Theil, der den eigentlichen Hafen ausmacht und eine gewisse Zahl von Häusern begreift, die zwischen diesem und Ritzebüttel liegen. Da auch der letztere Ort keine Mauer hat, so würde man gar nicht sehen können, wo dieser aufhört und jener anfängt, wenn nicht längs dem Flecken Ritzebüttel hin ein Damm liefe, der ihn von der übrigen Strecke Landes nach der Elbe zu trennt und gegen Ueberschwemmungen sichern soll. Die Häuser nun, welche nördlich von diesem Damme, und also auf dem flachen, nicht eingedeichten Striche stehen, heißen, so wohl als der Ort, wo die Schiffe lie- gen, Cuxhafen. In diesen Strich dringt jede Fluth so weit ein, daß sie die auf dem Lande liegenden Fahrzeu- ge flott macht. Aber oft auch stehet die ganze Gegend unter Wasser, und das nicht nur zur Zeit der periodi- schen hohen Fluthen (Springtides, Springfluthen) sondern ungefähr jedes Mahl, wenn ein westlicher, oder nordwestlicher Wind stark wehet und bis zur nächsten Fluth anhält. Indessen hat doch auch dieser niedrige Strich einen guten Damm gegen die Gewaltsamkeit des Wassers, der mit ziemlicher Festigkeit von Steinen gebauet ist, aber freylich keine hinlängliche Höhe hat. Ein Theil dieses Dammes, der sich in Holz endigt, läuft ein kleines Stück in die Elbe hinaus, und gewährt die Bequemlichkeit, daß ein ankommendes, oder ab- fahrendes Schiff sich da anlegen, und die Reisenden empfangen, oder aussetzen kann. Hiervon wird jedoch wenig Gebrauch gemacht, denn die Schiffe laufen mehrentheils, ehe sie absegeln, ein Stück Weges in die Rhede hinaus, und erwarten da ihre Passagiers, die sich in kleinern Booten an Bord bringen lassen. Das, was die Hamburger Regierung noch außerdem für diesen Hafen gethan hat, besteht in zwey großen, hölzernen Baken, wovon die eine dicht am eigentlichen Hafen, die andere in einiger Ferne davon westlich stehet; ferner, in einem elenden Leuchthause, das niedrig und klein ist, und nur vier Monathe lang im Jahre kümmerlich beleuchtet wird; endlich in den sogenannten Neuen Werken, welche aus einem Leuchtthurme bestehen, mit einem kleinen Hause für die Wärter, auf einer Art von Insel, die noch etliche Meilen tiefer als Cuxhafen, liegt. Dieses Werk war wegen der Sandbänke sehr nöthig. Wenn Sie zu Cuxhafen am Ufer stehen, so glauben Sie in das offene Meer zu sehen, denn die Aussicht ist unbegrenzt. Gleichwohl sieht man nur die Elbe, deren Ende noch auf fünf Deutsche Meilen von hier entfernt ist. — Daß die Einfahrt in diesen Fluß äußerst beschwerlich und gefährlich ist, darf ich wohl nicht erst erin- nern, denn es ist eine allgemein bekannte Sache. Die Elbe ist, von ihrer Mündung an bis nach Hamburg hin- auf, so voller Sandbänke, daß die Schiffer das eigentliche Fahrwasser, das sich zwischen durchschlängelt, eben so genau und sorgfältiger beobachten müssen, als ein Landfuhrmann die Straße. Auch ist dieses gan- ze Fahrwasser, von der Mündung des Flusses an, bis nach Hamburg hinauf, rechts und links mit Bojen, oder Tonnen belegt, wovon die auf der einen Seite weiß, auf der andern schwarz sind. Nehmen Sie die Bojen weg, und Sie können den Schiffer mit einem Fuhrmanne vergleichen, den Sie auf eine Straße bringen und die Augen verbinden. Und selbst dann würde dem Fuhrmanne noch einige Hoffnung übrig bleiben, die er auf die Klugheit seiner Pferde gründen könnte, die aber dem Schiffer ganz benommen ist. Ungeachtet dieser Bojen vermeidet man dennoch, so viel als möglich, die nächtliche Schiffahrt auf der Elbe, und nimmt noch überdieß beym Einlaufen einen Lootsen ein. Man hohlt diesen häufig von der Insel Helgo- land, die wegen der Geschicklichkeit, Ortkenntniß und Klugheit ihrer Einwohner berühmt ist. — Es wird Ihnen vielleicht auffallen, daß man dieser Insel, oder vielmehr diesem Felsen, der weit außer der geraden Straße zu liegen scheint, so nahe kommt. In der That geht man auch bisweilen zwischen dem Texel und Hel- goland in fast gleicher Entfernung; aber weit öfterer nähert man sich der letztern, und in Stürmen ist sie dann ein gefährlicher Gegenstand, an welchem schon so manches Schiff gescheitert ist. Man sehe, was ich von Hamburg aus, im ersten Theile hierüber schrieb. Cuxhafen, den 6ten September. Die Zahl der Häuser, die zu dem eigentlichen Cuxhafen gehören, ist nur unbeträchtlich, so wie der Hafen selbst in seine ehemahlige Nichtigkeit zurücksinken muß, sobald das Englische Paketboot wieder wegge- nommen wird. Jetzt ist es ein wohl bekannter, wichtiger Nahme, der den von Ritzebüttel ganz verdrängt hat, obschon beyde als Eins zu betrachten sind. Ritzebüttel ist ein ziemlich artiger Flecken, mit einer Menge zwar kleiner, aber guter, reinlicher Häuser. Er ist dadurch, daß das Englische Paketboot im Jahr 1795 dahin verlegt wurde, sehr emporgekommen, und seine Einwohner haben nicht nur durch die Reisenden sehr ansehnlich gewonnen, sondern auch auf mancherley Art ihren kleinen Handel theils vermehrt, theils auf Zweige ausgedehnt, an die man vorher nicht dachte. Man hat seitdem mehrere neue Häuser gebauet, und die Zahl der Wirthshäuser hat merklich zugenommen. Gleichwohl reichen die letztern bey weitem nicht zu, so bald ein widriger Wind die Paketboote eine Zeitlang zurückhält. Jeder Posttag, deren wöchentlich zwey sind, vermehrt dann die Zahl der Fremden, und die meh- resten Einwohner, die ein paar Zimmer entbehren können, vermiethen sie. In der That machen sie solche Preise, daß es wohl der Mühe werth ist. Ritzebüttel ist bekanntlich der Hauptflecken eines Amtes, das der Stadt Hamburg gehört, welche einen Rathsherrn hierher schickt, den man hier Gouverneur nennt. Er wohnt auf einem Schlosse, das einigerma- ßen befestiget und mit Kanonen besetzt ist; auch hat er eine Wache in Hamburgischer Uniform. Wir gingen, um das Schloß zu sehen, bey der ersten Wache vorbey, ohne angehalten zu werden; als wir aber an die zweyte kamen, welche die Hauptwache ist, wurden wir gefragt, ob wir zu dem Gouverneur wollten? Und da wir erklärten, daß wir nichts bey ihm zu thun hätten, bekamen wir eine Ordonnanz, ohne welche, wie man sagt, es nicht erlaubt wäre, umher zu gehen. Bey dem Wohnge- bäude, welches ziemlich unansehnlich ist, fanden wir abermahls eine Wache, und noch überdieß eine bürgerliche auf dem Walle. Sie sehen also, daß diese Hamburgischen Pro- consuln mit großer Würde in ihren auswärtigen Provinzen leben. — Die Kanonen werden wohl nur ge- braucht, um den Gruß von gewissen Schiffen zu erwiedern. — Die ganze Truppe, die Hamburg hier hält, besteht aus zwey und vierzig Mann. Ich fragte, wozu man so viele brauche? — „Ey! wir müssen ja die Poli- zey hier erhalten, besonders wegen der Engländer, die, wenn sie landen, einen Lärm und einen Spektakel in der ganzen Stadt machen, daß wir oft glauben, sie seyen alle toll geworden" — England hält jetzt hier einen Agenten, bey dem sich alle Reisende zu melden haben, die mit dem Paketboote abgehen wollen. Man bezahlt für die Ueberfahrt 3 Pf. Str., 15 Schillinge, 6 Pence, wovon der Agent 12 Schil- linge, 6 Pence bekommt; halb so viel für jede Person vom Gesinde. Dafür erhält man eine Anweisung mit dem Nahmen des Schiffes und des Hauptmannes, mit dem man gehen soll. Liegen mehrere Paketboote vor Anker, so bekommt jedes eine bestimmte Zahl von Passagiers, und wer sich über diese hinaus meldet, wird auf die folgenden angewiesen. Trifft es sich, daß alle schon so besetzt sind, daß ich auf ein Boot gewiesen werde, welches erst nach der zunächst eingehenden Landpost abfahren soll, so wird mein Geld zwar an die- ses bezahlt, es steht mir aber frey, mit irgend einem zu gehen, das bloß auf den ersten guten Wind wartet, um abzusegeln. An ein Bett ist dann freylich nicht zu denken. Alles, was man zu thun hat, ist, es dem Haupt- manne zu melden, an den man gewiesen ist. Die Einschiffung der Passagiers von drey Paketbooten, die heute früh zur nämlichen Stunde statt fand, ge- schah mit vieler Unordnung. Alle drey Fahrzeuge lagen auf der Rehde in einiger Ferne vom Ufer; eins der- selben war schon im vollen Segeln, als sein Aushängeboot ihm noch immer Gäste zuführte. Alles lief und stieß gegen einander; die Leute in einem Boote schrien nach ihrem Gepäcke, das in der Verwirrung in ein anderes gebracht worden war: und, da fand sich niemand, der Ordnung hielt, oder die geringste Anweisung gab. Für Lebensmittel muß ein jeder selbst sorgen, und, wegen der Ungewißheit der Dauer der Ueberfahrt, muß er für acht, wenigstens für sechs Tage einlegen, und dabey läuft er Gefahr, in drückenden Mangel zu gera- then, denn man hat Beyspiele, daß ein solches Paketboot etliche Wochen unterwegs gewesen ist. Ist die Ueberfahrt kurz, d. h. von vierzig bis fünfzig Stunden, so bleibt der ganze Vorrath dem Hauptmanne und dem Schiffsvolke. Ein Reisender thut also besser, sich bey dem Hauptmanne zu verdingen, dem er die klei- ne Summe von einer Guinea bezahlt, wobey aber kein Wein ist. Dieser verliert aber im Durchschnitte auch nichts dabey, denn, wenn die Ueberfahrt kurz ist, so kann er sicher darauf rechnen, daß die größere Hälfte seiner Gäste, außer etwas Getränke, gar nichts genießt. Ich bin acht und dreyßig Mahl über das Meer ge- gangen, und ich glaube nicht, daß Alles, was ich auf diesen sämmlichen Fahrten gegessen habe, eine Gui- nea werth ist. — Eine ganze Cajütte von sechs Betten kostet 26 Pf. Str. 5 Schillinge. Ich wohnte gestern, gleich nach unserer Ankunft, einer Feyerlichkeit bey. Ein Officier der Englischen Flotte im Texel war mit der Nachricht hierher gekommen, daß sich das ganze Holländische Geschwader ergeben habe. Dieser Nachricht zu Folge feuerten alle Englische Schiffe eine Zahl von Kanonenschüssen ab, und waren in Parade. Die Engländer nennen das, to dress a vessel; die Franzosen, pavoiser. Jedes Schiff hängt an den Masten und Segelstangen alle Flaggen auf, die es an Bord hat. Ist es nun ein Kriegsschiff, wie das hier mit mehreren der Fall war, so hat es die Flaggen der allermehresten seefahrenden Völker der Welt. Das ganze Schiff gleicht dann einer ungeheuern Zeugbude, wo ganze Stücke als Muster aufgehangen sind und im Winde wehen. Da man so etwas immer vom Ufer, und also in einiger Ferne sieht, so macht es eine recht artige Wirkung. Die Gewohnheit scheint allen Seemächten gemein zu seyn! Ich fand sie einst zu Genua, wo die Spanischen Kriegsschiffe auf diese Art verziert waren. Hamburg, den 7ten September.   ..... Gestern früh kam ein Paketboot von England an und so oft das der Fall ist, gehen zwey Fahrzeuge von Cuxhafen nach Hamburg ab, um den angekommenen Passagiers die vierzehn Meilen lange Landreise durch das Herzogthum Bremen und die Ueberfahrt von Haarburg nach Hamburg zu ersparen. Eins dieser Fahrzeuge ist von Blankenese, einem Dorfe, das eine Meile unter Hamburg liegt. Es ist unbequem und gewöhnlich überladen, hat aber den Ruf, sehr schnell zu segeln. Das zweyte nennt man das Französische, weil sein Eigenthümer ein Franzose ist. Es ist ungleich größer, als das andere, hat zwey artige, mit Papier tapezierte Zimmer, die besonders hoch sind und die Bequemlichkeit von gepolsterten Bänken und Sitzen anbiethen, auf denen man auch zur Noth schlafen kann. Ja in dem kleinen Zimmer sind drey Betten. Ueber- dieß hat es warme Küche an Bord, und mehrere Arten von Getränken, deren Preis im großen Zimmer ange- schlagen ist. Man bezahlt für die Fahrt nach Hamburg die sehr mäßige Summe einer halben Guinea, die entweder wirklich gegeben, oder zu 8 Mark, 8 Schilling Currant angeschlagen wird. Das Essen bezahlt man besonders. — Sind Sie glücklich, d. h. haben Sie die Fluth und einen starken Wind zu Gunsten, so erreichen Sie bisweilen Hamburg in sechs bis sieben Stunden. Dieß soll aber nur selten der Fall seyn, theils, weil die beyden Umstände nicht oft zusammentreffen, und der Wind von einer gewissen und anhaltenden Stärke seyn muß; theils auch helfen oft beyde Umstände zu nichts, weil die Stunde der Abfahrt, d. h. des Anfanges der Fluth auch dem Thorschlusse zu Hamburg angepaßt seyn muß. Wir erreichten wirklich die Nähe dieser Stadt in zehn Stunden; allein die Thore waren geschlossen, und wir hatten die Wahl, entweder spät in der Nacht zu Altona nach einer Herberge umherzulaufen, oder an Bord zu schlafen, welches ich vorzog. Was die Fahrt selbst betrifft, so kann ich nicht sagen, daß sie mich sehr unterhalten hätte. Sanft genug war sie wohl, denn wir fuhren mit Wind und Fluth, und in der großen Cajüte konnte ich mit Bequemlichkeit schreiben; allein der Anblick einer weiten Wasserfläche hat nichts Anziehendes. Die Ufer der Elbe sind hier größtentheils niedrig und machen nur eine armselige Figur gegen die Breite des Flusses. Anfangs sieht man, etliche Meilen lang, nichts als das Ufer zwischen Cuxhafen und Neuhaus, weil das gegenseitige zu weit entfernt ist, um sichtbar zu seyn. Allmählich kommt die Holsteinsche Küste zum Vorschein, an der denn Glückstadt in der Folge ein hübsches Bild macht. Von nun an sieht man das Ufer von beyden Seiten unaus- gesetzt, und Stade ist der nächste Ort von einigem Ansehen. Es ward dunkel, ehe wir die Höhe von Buxte- hude, d. h. die schönern Gegenden der Elbe erreichten, die ich aber längst von Hamburg aus kannte, und die durch mäßige Anhöhen auf beyden Seiten, durch die große Stadt Altona, eine Menge Dörfer unter der- selben, und durch die vielen Landhäuser interessant wird, die die Hamburger auf der Länge einer Meile dort besitzen. ______________________________________________________________________________________ Beschreibung einer im Sommer 1799 von Hamburg nach und durch England geschehenen Reise  von P.A. Nemnich, B.R. Licenciat. Tübingen in der J.G. Cotta´schen Buchhandlung 1800 Von der Zeit an, dass die Communication zwischen England und Deutschland über Cuxhaven und Ritzebüt- tel Statt findet, ist es in diesen Oertern sehr lebhaft geworden. Die beständige und zahlreiche Gegenwart von Reisenden hat die Einwohner in einen besseren Wohlstand gesezt, und ganz neue Erwerbzweige her- vorgebracht, zugleich aber auch einen nicht sehr vortheilhaften Einfluss in Ansehung der Lebensart und Sit- ten bewirkt. Als ich, nach vorgegangener grober Begegnung und Zurükweisung von Seiten des englischen Agenten, des- sen erste Pflicht es seyn sollte, höflich zu seyn, endlich meinen Pass erhalten hatte, begab ich mich an Bord des Paketboots, um meine Reise nach England fortzusezen. Hier nahm ich Abschied von meinem Freund Röding, der mich von Hamburg aus bis dahin begleitet hatte. Wäre es ihm damals möglich gewesen, die Reise nach England mitzumachen, wie weit angenehmer und interessanter würde sie mir dann geworden seyn! Die Reisegesellschaft auf dem Paketboot war sehr zahlreich, aber zugleich wie auserlesen in Ansehung der feinen Lebensart und gesellschaftlichen Unterhaltung. Es waren kaum einige Stunden verflossen, als ein Theil der Reisenden klagte, vor der Abfahrt zu viel genos- sen zu haben. Ein anderer Theil hingegen lachte darüber, und liess sich die aufgetragene Mahlzeit ohne we- gen der Folgen besorgt zu seyn, ganz wohl schmeken. Einige Stunden weiter vergieng den Meisten fast alle Lust zum Sprechen. Nun gieng es allgemein an ein Bücherlesen. Aus einem Bündel sah ich zum Vorschein kommen den Tasso, ein italiänisches Wörterbuch, und die alte Grammatik von Veneroni. Der Besitzer dieser Bücher schlug die Beine über einander, und gab den übrigen Theilen seines Körpers eine so gemächliche Lage, dass es aussah, als ob er das Buch von Anfang bis zu Ende durchlesen wollte. Allein das Jerusalem wurde bald aus seinen Händen befreit, und hat solches wahrscheinlich einer Anwandelung von Ekel, die dem Leser überkam, zu danken. Denn es ist ein anderes, ein solches Gedicht in einer angenehmen Gegend des Landes, und wieder ein anderes, es zwischen Wasser und Himmel zu lesen. Er legte also den Tasso bey Seite, und las dagegen die lustigen Historien im Veneroni von Anfang bis zu Ende, und befand sich wohl dabey. Ein junger Mann wollte sich mit den Anfangsgründen der englischen Sprache bekannt machen. Zu dem En- de hatte er eine Grammatik, ein Lexicon und Briefe, die ein Deutscher aus seiner Muttersprache ins Engli- sche übersezt hat. Er ersuchte einige Engländer, die etwas Deutsch konnten, ihm doch zu sagen, ob seine Aussprache verständlich sey? Sie konnten aber kein Wort davon verstehen, und waren daher begierig, zu wissen, nach welcher Methode er die Aussprache erlernte. Er zeigte ihnen sein Lexicon, in welchem bey jedem englischen Worte die Aussprache derselben nebenbey stand. Die Engländer zukten die Achseln über das tolle Zeug von Aussprache, und gaben dem jungen Mann den Rath, sich dieses Buchs ja nicht weiter zu bedienen, sonst würde er in seinem Leben nicht Englisch sprechen lernen. Als sie aber den Briefsteller er- blikten, so konnten sie über die Menge der darinn enthaltenen Germanismen und Zweydeutigkeiten sich nicht satt genug lachen, daher sie auch in der Folge, wenn ihnen nicht wohl zu Muth wurde, zu diesem Buch griffen, und ein Bischen darinn lasen. In der vierten Numer des bekannten Nord litéraire, der ungemein viel nüzliche Dinge enthält, befindet sich ein Aufsaz über die Seekrankheit. Ich hatte diese Numer mitgenommen, theils um mich nach den darinn enthaltenen Vorschriften zu richten, theils auch um die Meinungen der Seefahrer darüber in Erfahrung zu bringen. Es fügte sich glüklich, dass einer von der Gesellschaft den Aufsaz den übrigen vorlas, worauf dann mancherley Meinungen und Zweifel zum Vorschein kamen, die Regeln aber im Ganzen approbirt wurden. Der Rath, dass man sich enthalten müsse, das Meer anzusehen, wurde einstimmig verworfen, und ganz als Gegentheil behauptet, man müsse das Gesicht gerade nach dem Meere richten, um den Anblik der Bewe- gungen des Schiffes zu vermeiden. Von allen, die den Regeln jenes Aufsazes Beyfall gaben, war aber keiner, der nur eine einzige derselben be- obachtet hätte. Ein jeder that, was ihm gefiel. Man ass, um satt zu werden, und es war einerley, ob die Spei- sen süss, und fett waren, oder nicht. Bewegungen machten sich nur diejenigen, die schon viele Seereisen gethan hatten. Die Übrigen waren unbeweglich; und einige verliessen gar ihr Bett nicht, so lange die Reise dauerte. Dieser und jener schien auch zu meditiren, welches der Verfasser des Aufsazes nicht haben will. Die meisten klagten die sechs Reisetage hindurch über immerwährende Verstopfung; ich rieth ihnen also, indem ich ihnen die Stelle jenes Aufsazes zeigte, dass sie häufige Lavemens von Seewasser und venezia- nischer Seife brauchen sollten; worauf ich aber spottweise die Antwort erhielt, dass ich ihnen nur das Bey- spiel geben möchte. Es ist also zwar gut, Regeln vorzuschreiben; aber es hält schwer, sie zur Annahme zu bringen. Von der ganzen Gesellschaft wurde einer nach dem andern seekrank; nur ich allein machte die Ausnahme. Zwar kann ich nicht behaupten, dass mir so wohl war, wie auf dem Lande; jedoch war ich vom Vomiren im- mer weit entfernt. Auch kann ich nicht mit Gewissheit sagen, ob meine Constitution, oder vielmehr die beob- achtete Lebensart, mich nicht seekrank werden liess. Was ich beobachtete, bestand in folgendem:Ich hielt mich auf dem Deck, so lange und oft es geschehen konnte. Mein Anzug war warm. Die Augen richtete ich nach der See, und wenn eine Art Anwandlung kam, so befand ich mich nicht besser, als wenn ich einige Zeit auf dunkle Farben sah. Meine Nahrung war in den ersten Tagen Zwieback mit etwas Zuker, und starker Thee. Zuweilen nahm ich Hofmannische Tropfen. Nicht geschwinder war ich aus dem Wege, als wenn war- me Speisen aufgesezt wurden. Bücher las ich gar nicht, und zum Meditiren hatte ich weder Ursache, noch Gegenstände. Als wir wieder ans Land kamen, befand ich mich besser und munterer als die übrige Gesellschaft, die sich mit dem Vorurtheil getröstet hatte, dass die Seekrankheit gesund sey. ______________________________________________________________________________________ Das Leben des Freiherrn Ferdinand von Rast Freiherr Ferdinand von Rast Commissions - Verlag der U. G. Riemann´schen Hofbuchhandlung, Coburg, 1865 1802 Da wir starken Nordwest-Wind hatten und es sehr stürmisch war, mußte ich wegen Unwohlseins den ganzen Tag auf dem Verdeck bleiben. Bei Stade legten wir an, und in Ritzebüttel, nur 10 Minuten von Cuxhaven, mußten wir so lange verweilen, bis das Schiff weitersegeln konnte. Endlich Morgens um 6 Uhr langten wir in Cuxhaven an. Wir erfuhren dort, daß das Packetboot bereits um 4 Uhr abgesegelt sei, und mußten daher das nächste Packetboot abwarten, was uns mehrere Tage zurückhielt. Wir logirten in Ritzebüttel in der `Stadt Hamburg´ und amüsirten uns in mannigfacher Weise. Nachdem wir unter angenehmen Gesprächen zu Mittag gegessen und unserer Lieben in der Heimath gedachten, erfuhren wir Nachmittags im Kaffeehaus Näheres über  die Verhältnisse auf unserm Packetboot und bestellten unsere Plätze. Am Hafen besichtigten wir den Leuchtthurm, und vernahmen, daß der sehr heftige Wind mehrere Schiffe zum Stranden gebracht hatte. Bis zum 4. Juli Morgens war es noch stürmisch und conträrer Wind. Nachmittags waren in unserm Wirthshaus der Capitain eines verunglückten Schiffes `The Hope´ nebst 5 Matrosen angekommen. Sie hat- ten ihr Schiff verlassen müssen und sich mit nur sehr wenigen Effecten in einer Schaluppe gerettet. Die ar- men Leute hatten viel erdulden müssen und kaum so viel gerettet, um nach England zurückkehren zu  kön- nen. Der Capitain, den wir zum Abendessen eingeladen hatten, erzählte uns dabei die Details des bekla- genswerthen Ereignisses.  Als andern Tags der Sturm nachließ, beschloß unser Capitain, am nächsten Morgen abzusegeln. Wir ordne- ten unsere Effecten und am 6. Juli früh Morgens traten wir die Weiterreise an. Das Wetter war zwar schön, aber der Wind war keineswegs der günstigste. Als wir bis nahe bei Neuwerk gekommen waren, mußten wir wegen des heftigen und ungünstigen Windes wirklich wieder umkehren und kamen halb 10 Uhr wieder nach Ritzebüttel zurück. Am 7. Juli fuhr ich Vormittags mit den Herren Friedländer und Lehmann nach dem Strand, um die dort liegenden gestrandeten Güter zu sehen, und Nachmittags um 2 Uhr waren wir wieder in Ritzebüttel angelangt.  Endlich am 8. Morgens hatte der Wind sich günstiger gewendet, und wir gingen Nachmittags 5 Uhr an Bord  unseres Schiffes. Wir waren nur unser sechs Passagiere, darunter auch der am 3. mit seinem Schiffe verunglückte Capitain. Anfangs war unsere Gesellschaft ziemlich vergnügt, aber nach ein paar Stunden auf der See wurde ich von der Seekrankheit auf's hestigste ergriffen und mußte mich nie- derlegen. Bald erkrankten auch meine Reisegefährten; der Wind drehte sich dabei wiederum unserm Schiffe sehr feindselig und bis zur Nacht am 10. wurde es so stürmisch, daß wir nicht mehr glaubten, davon zu kom- men. Der Sturm warf unser Schiff hin und her, — und dabei das Elend der Seekrankheit! Genießen konnte ich gar nichts, und schon der Anblick von Speisen erregte mir Ekel. Der Geruch einer Limone belebte mich ein wenig und eine Flasche Rothwein, die ich aus Ritzebüttel mitgenommen hatte, diente mir zunächst zur Nahrung. Nachmittags gab mir auch ein Glas Porter die Stärkung, deren ich bedurfte. Die Verzögerung, wel- che wir in Ritzebüttel wegen des widrigen Windes hatten ertragen müssen und das  körperliche Leiden, Bei- des machte auf mich einen sehr niederbeugenden Eindruck, der bei meiner Jugend und durch die Umstände wohl erklärlich war. Die lebhafte Erinnerung an die Erzählung des Capitains von  dem verunglückten Schiffe steigerte meinen angstvollen Zustand bis zu Fieberphantasien, in denen mich Untergang und Tod fortwäh- rend bedrohten. ______________________________________________________________________________________ Ausschnitt aus einem Spottgedicht aus dem Jahre 1869 “Ich machte mit die Teufelsfahrt und niemals ich so seekrank ward! Bei Glückstadt schon, da kam, oh Graus, der Kaffee und die Rundstück h´raus, und bei Cuxhaven, ach Herr Jees´, da folgten Rauchfleisch, Wurst und Käs ... Umgeben nur vom Meergeröll, glich unsere Fahrt dem Weg zur Höll´. Bald thurmhoch auf der Wogen Spitzen, bald tief im Abgrund Angstschweiß schwitzen, das ist, mein Freund, für wahr kein Spaß und dabei wird man pudelnass”. ______________________________________________________________________________________ Seite 2
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