Oskar Dankner - Ein Fall von Rassenschande
Oskar Dankner war einer der ersten Juden in Cuxhaven, der
den antisemitischen Terror des Hitlerregimes am eigenen Leibe
zu spüren bekam. Gegen ihn war eine Hetzkampagne gerich-
tet, die vor allem von dem so genannten `Rollkommando´ der
Marine-SA vorangetrieben wurde. Sie gipfelte am 27. Juli 1933
in einer öffentlichen Anprangerung, bei der Dankner zusammen
mit seiner angeblichen `Mätresse´ Adele Edelmann, einer
Nichtjüdin, mit einem Schild um den Hals durch die Straßen der
Stadt getrieben und dabei auch mit einem Seil geschlagen
wurde. Der Weg ging von der Deichstraße durch die Neue
Reihe, Marienstraße, Schillerstraße über die Deichstraße zur
Bahnhofstraße. Dort wurde die Aktion vom damaligen Amtslei-
ter der Polizei beendet.
Am 28. Juli 1933 erscheint in der nationalsozialistischen Zeitung `Aus der Nordwestecke´ zum oben darge-
stellten Vorfall ein Bericht unter der Überschrift "Jude und seine Dirne angeprangert". Darin der Schlusssatz:
"Dieses Vorgehen gegen den Herrn D., der verheiratet ist und dessen Frau eine achtbare Jüdin sein
soll, muss sogar von rechtdenkenden Juden, die ja immer den `jüdischen Familiensinn´ betonen,
durchaus gebilligt werden".
Grundlage für diese Maßnahme gegen Dankner war ein Runderlass `Zur Förderung der nationalen Bewe-
gung´ des kommissarischen preußischen Innenministers Hermann Göring vom 17. Februar 1933 an alle
Polizeidienststellen. Darin hieß es, es sei "... die nationale Propaganda mit allen Kräften zu unterstützen,
dem Treiben staatsfeindlicher Organisationen mit den schärfsten Mitteln entgegenzutreten und, wenn nötig,
rücksichtslos von der Waffe Gebrauch zu machen. ... Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflicht von der
Waffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schusswaffengebrauchs von mir
gedeckt; wer hingegen in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen."
Ein weiterer Erlass Görings schon vier Tage später erweitert diese Maßnahme, indem Kräfte der SA, SS und
des Stahlhelm bei Bedarf zu freiwilliger Hilfspolizei ernannt werden konnten. Damit waren Einsätze der
sogenannten Rollkommandos staatlich legitimiert. Haupsächliches Ziel war es zunächst, angeblich vermehr-
te Ausschreitungen linksgerichteter Kräfte zu unterbinden. Waren damit anfänglich Kommunisten gemeint,
so erweiterte sich der Kreis schnell auf SPD und Gewerkschaften; danach auch auf Nicht-Arier. Im August
1933 wurde diese Gruppierung aufgrund einer Initiative von Reichs-Innenminister Wilhelm Frick weitestge-
hend wieder aufgelöst.
Oskar Dankner war ein galizischer Jude, geboren 1890, der nach dem Ersten Weltkrieg durch die Staaten-
neugliederung die polnische Staatsangehörigkeit bekam. 1922 kam er als `Ostjude´ nach Cuxhaven, wo er
das Haus Deichstraße 20 mit dem `Cuxhavener Lichtspielhaus´ erwarb. Außerdem betrieb er noch ein
Strumpf- und Wäschegeschäft.
Die gegen ihn gerichtete Verfolgungsaktion hatte Oskar Dankner bereits Anfang März 1933 dazu veranlasst,
sein Kino zu verpachten. Am 3. April annoncierte Dankner dann den `Total-Ausverkauf´ seines Strumpf- und
Wäschegeschäftes. Grund hierfür war der so genannte Boykotttag der NSDAP am 1. April 1933. Es wurde
unter anderem vom Cuxhavener Kreisleiter Morisse dazu aufgerufen, jüdische Geschäfte strikt zu meiden.
An diesem Tag blieben alles jüdisch geführten Läden geschlossen, `bewacht´ von jeweils zwei SA-Posten.
Ende April bekommt Dankner zwei Monate Haft und 50 Reichsmark Strafe wegen Fahrens mit einen unver-
steuerten Wagen.
Im Dezember 1933 meldet sich Dankner nach Warschau ab; seine Frau in die Tschechoslowakei.
1938 verkauft er sein Kino an die Pächter. Statt der vom Anwalt errechneten 72.000 RM bekommt er jedoch
wahrscheinlich nur 14.500 RM auf ein Sperrkonto, da er in Glatz in Schlesien einsitzt. Man wirft ihm
Devisenschmuggel nach Polen vor. So bekommt er 1 Jahr Gefängnis und 9.000 RM Strafe.
Am 7. Dezember 1938 verstirbt er im Alter von 48 Jahren im Glatzer Gefängnis an schwerer Lungenent-
zündung.
Adele Edelmann, 1910 geboren, wohnte mit der verwitweten Mutter Therese als Verkäuferin im Gebäude der
ehemaligen Seedeichkaserne. Bereits am 31. Juli 1933 meldet sie sich ab nach Hamburg. 1936 zieht sie mit
ihrem Mann nach Hamburg, wo sie ein Schuhgeschäft in der Reinickendorfer Straße eröffnen. 1967 kehrt sie
schwer erkrankt nach Cuxhaven zurück, wo sie noch im gleichen Jahr verstirbt.
Dieses war einer von vielen Fällen von Spießrutenlauf und Repressalien gegen Juden in Cuxhaven. Von
ehemals 43 jüdischen Bürgern lebten 1938 noch 13 in Cuxhaven, während es nicht ein jüdisch geführtes
Geschäft mehr gab. 1941 verließ der letzte Jude Cuxhaven. Er wird ein Jahr später im KZ Theresienstadt
ermordet. Noch weitere verstarben unter den Zeitumständen, von zwölfen liegt der weitere Weg im Dunkel
der Zeit.
Der Cuxhavener Kreisleiter der NSDAP, Heinz Morisse wurde nach dem Kriege zu insgesamt viereinhalb
Jahren Gefängnis verurteilt. Der ebenfalls der NSDAP angehörige seinerzeitige Bürgermeister Cuxhavens,
Wilhelm Klostermann, ging straffrei aus. Er gab zu Protokoll:
"Ich möchte annehmen, dass bei Beginn des Krieges keine jüdische Familie mehr in Cuxhaven
gewohnt hat. Diese Familien sind, soweit ich unterrichtet bin, vorher nach Hamburg gezogen. ... Die
Juden haben ihren Besitz ordnungsgemäß verkauft".
Nachtrag
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Das obige Bild ging 1933 um die Welt. Es ist eines der Bilder in dem Buch: `Die großen Fotos des
Jahrhunderts´ und war Thema einer Sendung im ZDF vom 13. April 1994 in der Reihe `Bilder, die
Geschichte machten´.
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Am 13. Oktober 2012 wird im Rahmen der europaweiten Aktion des Kölner Bildhauers und
Stolperstein-Erfinders Gunter Demnig vor dem Haus Deichstraße 20 zum Gedenken an Oskar Dankner
ein Stolperstein verlegt. Noch drei weitere finden an dem Tag ebenfalls ihren Platz in Cuxhaven.
Abspann
Dank an
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Hans-Jürgen Kahle: `Dokument der Schande´ in: Die Spitze, April 1994
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cuxpedia.de
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Lehrerfortbildungsinstitut & GEW, Bremerhafen: Das Gespensterschiff
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Grimm
Erstveröffentlicht: cuxpedia.de